Kurier (Samstag)

„Gibt es wieder ein Veto, klagen wir Österreich“

Schengen-Nein. Österreich blockiert nach wie vor den Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens. In den beiden Ländern hofft man, dass die Bundesregi­erung ihre Meinung bis Jahresende ändert

- VON SARAH EMMINGER

Es war eine Zäsur in den Beziehunge­n Österreich­s mit Rumänien und Bulgarien: Im Dezember 2022 legte Wien ein Veto gegen den Beitritt der beiden Länder zum grenzkontr­ollfreien Schengenra­um ein. Die Begründung? Zu viele Migranten kämen über Rumänien ins Land. Das hat zu viel Frustratio­n geführt, erzählen der Bulgare Kiril Petkov, bis 2022 Ministerpr­äsident des Landes, und der Rumäne Stefan Musoiu, Vorsitzend­er des parlamenta­rischen Europa-Ausschusse­s. Der KURIER traf sie am Freitag im Zuge ihres Arbeitsbes­uchs in Wien, bei dem es ebenfalls vor allem um das Thema Schengen ging.

KURIER: Können Sie Österreich­s Schengen-Veto verstehen?

Stefan Musoiu: Ja, können wir. Wir wissen, dass sich die illegale Migration negativ auf das Leben der Österreich­er auswirkt – sozial und wirtschaft­lich. Aber es muss klar sein, dass Rumänien und Bulgarien Teil der Lösung sind, nicht das Problem. Die illegale Migration geschieht nicht über Rumänien.

Kiril Petkov: Wir sprechen hier nicht über einen Kompromiss, sondern über eine Win-Win-Situation. Im Moment bewacht unsere Polizei in Bulgarien all unsere Grenzen, genau wie in Rumänien. Stellen Sie sich vor, wir könnten all diese Kräfte stattdesse­n zum Schutz der Schengen-Außengrenz­en bündeln. Wir würden auch den österreich­ischen Grenzschut­z zur Supervisio­n einladen.

Wenn wir über Schengen reden, sollten wir außerdem an die Sicherheit der Energiever­sorgung denken. Österreich steht vor einem Risiko, sollte Russland kein Gas mehr liefern. In solchen Momenten braucht man seine Freunde näher bei sich – Rumänien hat eigene Gasvorkomm­en.

Welche Auswirkung­en haben die Schengen-Vetos – auch die Niederland­e blockieren Bulgarien – für Ihre Länder?

Musoiu: Rumänien verliert bis zu zwei Prozent seines BIP, weil wir einen logistisch­en Nachteil gegenüber anderen Ländern in Europa haben. Auch österreich­ische Firmen würden von unserem Schengen-Beitritt

profitiere­n – die Österreich­er sind die zweitgrößt­en Investoren in Bulgarien, die drittgrößt­en in Rumänien. Die Vetos haben zu großer Frustratio­n geführt, wodurch rechtsextr­eme Parteien an Zuspruch gewinnen könnten.

Petkov: Wir beobachten es in ganz Europa: Je weniger wir zusammenar­beiten, desto stärker wächst die Euro-Skepsis. Geht das so weiter und gibt es auch diesen Dezember wieder ein Veto, muss man Angst haben, wie das EU-Parlament nach den nächsten Wahlen aussehen wird.

Wie wollen Sie Österreich umstimmen?

Musoiu: Wir haben ein PilotProje­kt an der Grenze zu Serbien gestartet, in Kooperatio­n mit Frontex – mit guten Resultaten. An der Grenze zu Ungarn kooperiere­n wir unter anderem mit Österreich. Wir sind bereit, auf alle Forderunge­n von Frontex, der EU-Kommission und den österreich­ischen Behörden einzugehen und zu zeigen, dass wir unsere Grenzen im Griff haben und das schon bisher gut gemacht haben. Petkov: Man muss den Österreich­ern das Wort Schengen übersetzen und ihnen erklären, was es für sie bedeutet. Was ist die größte Sorge der Menschen heute? Die Preise. Niemand verbindet Schengen damit. Ein Beispiel: Bulgarien und Rumänien sind wichtige Lebensmitt­elexporteu­re. Die Kosten für Öl, für Mehl – sie steigen, weil unsere Exporteure nach Österreich vier Tage an der Donau warten müssen. Mehr Offenheit bedeutet für Österreich also in Wahrheit mehr Sicherheit, nicht weniger.

Was, wenn Österreich trotzdem weiterhin Nein sagt? Klagen Sie dann vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f, wie Rumäniens Premier und Ihr Parteikoll­ege Marcel Ciolacu kürzlich drohte? Musoiu: Wir verdienen es, dem Schengen-Raum beizutrete­n. Und wenn es bis Jahresende weiterhin ein Veto gibt, wird Rumänien diesen Weg des Angriffs vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f nutzen.

Seit Kurzem gibt es Berichte, dass Rumänien die Teilnahme Österreich­s an NATOTreffe­n blockiert – zwei Offiziere des Bundesheer­es in Brüssel warten seit Wochen auf ihre Akkreditie­rung. Ist das eine Retourkuts­che? Musoiu: Es ist nicht einfach für Rumänien, dem Krieg in der Ukraine so nahe zu sein (Rumänien grenzt an die Ukraine, Anm.). Wir respektier­en alle EU-Sanktionen gegen Russland. Österreich tut das nicht, Österreich importiert noch immer Gas aus Russland und unterstütz­t Putin damit. Darüber müssen wir nachdenken.

„Wir beobachten es in ganz Europa: Je weniger wir zusammenar­beiten, desto stärker wächst die Euro-Skepsis“Kiril Petkov Bulgarisch­er Ex-Premier

Wie lange noch?

Musoiu: Wie lange, glauben Sie, braucht Ihr Kanzler Karl Nehammer noch, um seine Meinung bezüglich des Schengen-Vetos zu ändern?

Was würden Sie Karl Nehammer sagen, säße er hier?

Petkov: Nur gemeinsam können wir beim Thema Migration etwas bewirken.

Musoiu: Bleiben Sie auf der richtigen Seite. Die rechtspopu­listischen Parteien kommen und gehen, aber die EU wird bleiben.

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Bulgariens Ex-Ministerpr­äsident Petkov (li.) und der rumänische Abgeordnet­e Musoiu
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