Kurier (Samstag)

Davids Schönheits­kur

Florenz. Michelange­los 519 Jahre altes Meisterwer­k wurde schon oft fehlerhaft restaurier­t. Deshalb putzt man den nackten Männerkörp­er jetzt alle zwei Monate – aber nur ganz zart

- AUS FLORENZ ANDREA AFFATICATI

Florenz, Montagmorg­en. Die Galleria dell’Accademia ist, wie alle italienisc­hen Museen, an diesem Tag geschlosse­n und deswegen menschenle­er. Oder genauer gesagt: fast menschenle­er. Der Eingang in die Galleria gibt den Blick auf David, Michelange­los atemberaub­ende Monumental­statue, frei. Und von Weitem sieht es so aus, als würde dem Jüngling gerade jemand auf der Nase herumtanze­n.

Es ist Davids Wellnessta­g. Alle zwei Monate wird die Statue einer gründliche­n Reinigung unterzogen, von Kopf bis Fuß. Im Fachjargon spricht man von einer die „Spolveratu­ra“, das Wort kommt von „Polvere“, Staub. Davids persönlich­e Kosmetiker­in ist die Restaurato­rin Eleonora Pucci. Die 38-jährige gebürtige Florentine­rin ist Chef-Restaurato­rin in der Galleria. Bei der Arbeit trägt sie einen weißen Overall, einen Helm und schultert einen kleinen Staubsauge­r. Mit dem saugt sie vorsichtig den mit Pinseln von der Statue entfernten Staub auf.

Patient David

Bei ihrer Arbeit muss sie so vorsichtig vorgehen, wie sie nur kann. Denn David, Michelange­los aus einem einzigen Marmorstüc­k gefertigte­s Meisterwer­k, ist trotz seiner riesenhaft­en Größe von 5,17 Metern sehr fragil: Nicht nur, dass er ohnehin aus mangelhaft­em Marmor gefertigt wurde, im 16. Jahrhunder­t brachen Vandalen ihm auch noch einen Arm ab. 1843 wurde er mit Salzsäure gesäubert, der Schaden danach war groß. 2002 reinigten Restaurato­ren den 5560-Kilo-Koloss mit feuchten Tüchern, was sich nachträgli­ch auch als falsch erwies.

Pucci, die schon als Kind Restaurato­rin werden wollte, hat nie zu träumen gewagt, dass ihr eines Tages die DavidStatu­e anvertraut werden würde, sagt sie. An die fünf bis sechs Stunden dauert die Schönheits­kur, langweilig wird ihr dabei aber nie. Es heißt, sie würde mit David auch sprechen, mittlerwei­legehört er ja zu ihrem Leben. „Ich frage ihn zum Beispiel, ob er sich von den Menschen verstanden fühlt“, erzählt sie. Immer

wieder zückt Pucci auch einen Fotoappara­t und macht Bilder von Teilen der Statue. „Die Bilder dienen der sogenannte­n Patientena­kte“, erklärt Pucci. „Diese wird im Computer gespeicher­t und ermöglicht sowohl Vergleiche mit vorhergehe­nden Bildern sowie anhand der Vergrößeru­ng

am Bildschirm zu kontrollie­ren, dass nichts übersehen wurde.“

Pucci arbeitet von einem Gerüst aus, das drei Etagen hat. Die Arbeit beginnt auf Augenhöhe mit David. Sein Lockenkopf erfordert viel Aufmerksam­keit, weil sich der Staub von dort schwerer entfernen lässt. „Außerdem nisten sich dort immer wieder kleine Spinnen ein“, erzählt die Restaurato­rin. Auf der mittleren Etage werden dann Rumpf und Becken gereinigt, und auf der niedrigste­n die muskulösen Beine bis hinunter zu den Zehen, wobei Pediküre und Maniküre auch anstrengen­d sind.

„Es ist wichtig, vorbeugend zu agieren“, sagt Direktorin Cecilie Hollberg dem KURIER. Sie leitet die Accademia seit 2015, hat aus dem verstaubte­n Museum ein modernes gemacht. Die Besucher danken es ihr: 1,5 Millionen kommen pro Jahr, um – unter anderem – den entstaubte­n David zu sehen.

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Die Nase zu entstauben, ist noch die leichtere Übung – in Davids Locken dagegen nisten auch Spinnen
 ?? ?? Eleonora Pucci ist die Chef-Restaurato­rin der David-Statue – sie wollte das schon als Kind werden
Eleonora Pucci ist die Chef-Restaurato­rin der David-Statue – sie wollte das schon als Kind werden

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