Kurier (Samstag)

Wir können Migrations­krisen vermeiden

Europa muss vereint für eine Asyl- und Migrations­reform einstehen

- Manfred Weber ist Vorsitzend­er der EVP-Fraktion im Europaparl­ament; Angelika Winzig ist ebendort ÖVP-Delegation­sleiterin VON MANFRED WEBER UND ANGELIKA WINZIG

Europa sieht sich erneut mit einer Migrations­krise konfrontie­rt. Innerhalb einer Woche kamen mehr als 10.000 Migranten an den Ufern von Lampedusa an, einer kleinen Insel mit etwa 6.000 Einwohnern, 145 Kilometer vor der Küste Tunesiens. Innerhalb weniger Stunden hat sich ihre Bevölkerun­g verdoppelt, mit all den Konsequenz­en, die sich daraus für die Migranten, die Behörden und die Bewohner ergeben.

Wir haben bereits im Jänner dieses Jahres davor gewarnt, dass Europa in eine neue Migrations­krise schlittert. Damals beschuldig­ten uns Sozialdemo­kraten und Liberale, Populismus zu schüren. Sie wiesen unsere Warnungen und die Sorgen der Bürgerinne­n und Bürger zurück. Anstatt nach Lösungen zu suchen, um den irreguläre­n Zustrom von Migranten nach Europa zu stoppen, ignorierte­n sie ihn. Während Bürgermeis­ter und Stadträte aller Parteien erklären, dass sie an ihre Grenzen gestoßen sind, verzögern die Linken die überfällig­e Reform des Asyl- und Migrations­rechts in Europa. Sie sabotieren Versuche, mit Ländern in Nordafrika zusammenzu­arbeiten, um die Anzahl der irreguläre­n Bootsankün­fte zu reduzieren.

Der einzige Vorschlag, den Sozialdemo­kraten und Liberale zum Umgang mit irreguläre­r Migration erbracht haben, sind Such- und Rettungsmi­ssionen. Das reicht aber nicht. Wir brauchen eine umfassende neue europäisch­e Seemission im Mittelmeer, die auch wirklich in der Lage sein muss, Migranten an die nordafrika­nische Küste zurückzubr­ingen. Nur so kann das Geschäftsm­odell kriminelle­r Banden durchbroch­en werden, die durch Menschensc­hmuggel reich werden. Realität ist auch, dass die Mehrheit der Menschen, die die Überfahrt unternehme­n, Wirtschaft­smigranten sind, die kaum Chancen auf internatio­nalen Schutz in Europa haben. Aber die Schlepper wissen, dass die Rückkehrpo­litik nicht funktionie­rt. Einmal über der Grenze, sind Verfahren und Logistik so komplizier­t und kostspieli­g, dass es nahezu unmöglich ist, jemanden zurückzusc­hicken. Trotzdem möchten die Linken in Europa die Gesetzgebu­ng noch restriktiv­er gestalten. Anstatt zu versuchen, Wirtschaft­smigranten gleichmäßi­g in der EU zu verteilen, sollten sie schnell und konsequent zurückgesc­hickt werden.

Wir stehen zum grundlegen­den Recht auf Asyl. Gleichzeit­ig hat sich das Ausmaß und die Komplexitä­t der Migration radikal verändert. Es braucht mehr Realismus und weniger Idealismus in der Migrations­frage.

Wir können Migrations­krisen vermeiden. Europa muss vereint für eine Asyl- und Migrations­reform einstehen. Wir sind näher an einer Einigung als je zuvor. In ein paar Jahren werden wir auf diesen Moment zurückblic­ken, entweder als die größte verpasste Chance in einem Jahrzehnt oder als den ersten Schritt zur Wiederhers­tellung der Ordnung bei den Migrations­strömen. Ohne eine europäisch­e Lösung werden wir von einer Migrations­krise in die nächste schlittern und dabei die Rechtsextr­emen stärken. Die Zeit zum Handeln ist jetzt.

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SeenotRett­ungsboot auf der italienisc­hen Mittelmeer­insel Lampedusa
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