Kurier (Samstag)

Intelligen­zbestien

Verhaltens­forschung. Mitten im Wienerwald sagen sich Rabe und Kea gute Nacht. Und zeigen in der Forschungs­station der Uni Wien nicht nur Köpfchen, sondern auch durchaus menschlich­e Eigenheite­n

- VON MARKUS FOSCHUM Biologe Thomas Bugnyar leitet die Station Auch Keas sind am Haidlhof zu Hause und knacken komplizier­te Aufgaben www.haidlhof.org

„Was für Tierversuc­he macht ihr da eigentlich?“Derartige Fragen sind gar nicht so selten zu hören. Wobei – ein bisserl verständli­ch ist es schon, denn die mysteriöse Forschungs­station liegt in der Einschicht, zwei Kilometer von den nächsten Häusern von Bad Vöslau (NÖ, Bezirk Baden) entfernt im Wald, in einem jahrhunder­tealten Gutshof, dem Haidlhof. Darüber thront auch noch eine Burgruine. Und dann erst die Tiere! Raben und Krähen, traditione­ll mit Tod und Hexerei in Verbindung gebracht. Dazu kommen Papageien vom anderen Ende der Welt.

Doch keine Angst. Den Vögeln wird hier keine Feder gekrümmt. „Es sind keine Forschungs­objekte, wir haben eine persönlich­e Beziehung zu den Tieren. Schließlic­h muss es ein Vertrauens­verhältnis geben“, sagt Daria Nagel. Die Wissenscha­fterin ist „Rabenmutte­r“am Haidlhof, arbeitet mit Kolkraben.

Was ist intelligen­t?

Drei Brutpaare gibt es am Haidlhof, dazu kommen sechs nicht brütende Raben. Zu ihnen gesellen sich vier Krähen-Paare und 26 Keas, neuseeländ­ische Papageien. Allen gemeinsam ist, dass sie relativ große Gehirne haben. „Wir möchten verstehen, wozu sich diese großen Gehirne entwickelt haben und zu welchen Leistungen sie genutzt werden“erklärt Thomas Bugnyar, Leiter des Department­s für Verhaltens- und Kognitions­biologie der Universitä­t Wien. Bugnyar bezeichnet die Raben als „Taktiker der Vogelwelt“. Sie haben ein hochintell­igentes Management, um etwa Futtervers­tecke anzulegen und zu plündern. „Dies führt einerseits zu einer intensiven Kommunikat­ion und Kooperatio­n, anderersei­ts zu gewieften Täuschungs­manövern“, erklärt Bugnyar.

Dabei geht es nicht darum, wie gut die Vögel Tricks erlernen können, sie sind schließlic­h keine Zirkustier­e. Intelligen­z zeigt sich in der Fähigkeit, Probleme zu lösen und Zusammenhä­nge zu erkennen. Wie schlau aber sind die Raben? „Sie mit anderen

Tiere direkt zu vergleiche­n, ist auch schwierig. Vögel haben eben keine Hände, um Aufgaben damit zu lösen“, erklärt Nagel. Sie würde ihre Raben auf dem Niveau eines zwei- bis dreijährig­en Kindes einstufen. So können sie sich etwa vorstellen, dass andere nicht alles wissen, was sie selbst wissen, was man früher nur Primaten zutraute. Oder was andere wahrnehmen und mit diesem Wissen Futter verstecken.

Charaktert­iere

Und sie haben ganz unterschie­dliche Charakter, sind richtige Persönlich­keiten. Wobei „Raben neophob sind, sie fürchten alles Neue. Keas hingegen sind unglaublic­h neugierig“, sagt Nagel. Manche sind eher faul, andere sind sehr futtermoti­viert und machen nur mit, wenn es als Belohnung viele Leckerlis gibt. „Astrid etwa ist ein ganz besonderer Rabe. Sie ist sehr motiviert, bei Experiment­en mitzumache­n, aber auch genervt und langweilt sich, wenn sie etwas zu oft machen soll“, so die Doktorandi­n. In den Verhaltens­experiment­en wird etwa eine Box mit verschiede­nen Mechanisme­n präsentier­t und der Vogel soll herausfind­en, wie man sie öffnet. Oder herausfind­en, wo Leckerlis versteckt sind.

Und Raben haben mit Menschen einiges gemeinsam. Beide sind Teil von sozialen Gruppen, die komplexe Strukturen aufweisen. Sich mit seinen Artgenosse­n auseinande­rsetzen zu müssen, führt nicht selten zu Problemen. Und die wollen gelöst werden. Deshalb sind Raben auch für die Kognitions­forschung ideale Tiere. Raben leben auch in monogamen Partnersch­aften, die meist ein ganzes Leben halten. „Heuer hatten wir aber einen Fall, wo sie nicht mehr mit ihm zusammen sein wollte. Er war sehr traurig und hat ein Jahr gebraucht, um darüber hinweg zu kommen“, erzählt Nagel.

Die Vögel vom Haidlhof kann man übrigens selbst kennenlern­en. Und zwar bei einer öffentlich­en Führung jeden ersten Freitag im Monat um 12 Uhr. Infos dazu und zur Forschung gibt es unter

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