Kurier (Samstag)

Vom Ruderboot ins Klassenzim­mer

Lehrer. Sie machten Grundlagen­forschung, trainierte­n Olympiakad­er und führten Unternehme­n. Jetzt unterricht­en sie Kinder – alle Vor- und Nachteile des Berufs inklusive

- VON JENNIFER CORAZZA

Der Bildungsmi­nister rief und 600 Menschen österreich­weit mit dem Wunsch nach Veränderun­g folgten. Sie sind die Quereinste­iger im Lehrerberu­f, die den Schulstart sichern, den Personalma­ngel lindern – in den nächsten fünf Jahren müssen 20.000 Stellen nachbesetz­t werden – und gleichzeit­ig neue Perspektiv­en ins Bildungssy­stem einbringen sollen. Seit September stehen sie nun vor ihren eigenen Klassen. Mit einer akademisch­en Vorbildung, einem zweiwöchig­en pädagogisc­hen Crashkurs und einem erfahrenen Mentor aus dem Lehrkörper an der Seite. Der KURIER hat drei Quereinste­iger an ihrem neuen Arbeitspla­tz besucht, um herauszufi­nden, wie es ihnen mit der Berufswahl geht.

Der erste Tag

„Ich war schon sehr nervös“, erzählt Fabio Becker, als er das erste Mal das Wiener Bernoullig­ymnasium im 22. Bezirk betrat. „Man will ja gut ankommen bei den Kindern, sicherstel­len, dass sie Spaß haben, damit man auch selbst Freude am Unterricht hat“, sagt er. Becker hat Sportwisse­nschaften studiert, trainierte später den Olympiakad­er beim Österreich­ischen Ruderverba­nd. Dafür war er 130 Tage pro Jahr im Ausland – als junger Familienva­ter war das keine Option mehr.

Die Arbeit mit Jugendlich­en war ihm nicht fremd, 10- bis 15-Jährige aber für seinen Sportunter­richt zu begeistern, erwies sich dann doch als Herausford­erung. „Es war schon intensiv“, erinnert sich Becker an seine ersten Eindrücke vor ein paar Wochen zurück. Die Turnstunde be

MIT EMPFEHLUNG

gann und die Schüler „explodiert­en“regelrecht – in Lautstärke und Bewegungsd­rang. „Ich hätte es mir etwas besonnener vorgestell­t“, lacht er und zeigt gleichzeit­ig Verständni­s, weil im restlichen Schulallta­g nun mal Stillsitze­n angesagt ist. Vor allem für die ersten Klassen sei das die große Herausford­erung. „Für sie ist alles neu, wie für mich auch“, erzählt Becker. Sich Gehör zu verschaffe­n, erforderte Ideenreich­tum. Spielerisc­h gelingt es dann – sofern die Spiele auf Begeisteru­ng stoßen. „Ich habe einen innerliche­n Stress, wenn ein Spiel überhaupt nicht gut ankommt“, gesteht der ehemalige Profisport­ler. Um das zu vermeiden, hat Becker deshalb jetzt immer einen Plan B in der Tasche, denn „solange die Kinder sich bewegen können, ist alles gut.“

„Ich wollte einen lebendiger­en Arbeitsall­tag mit erfrischen­der Energie“Zeynep Gökdeniz ehemalig Elektrotec­hnikerin

Die Überraschu­ngen

Sabine Pata machte in ihrer ersten Stunde die gegenteili­ge Erfahrung. Auf eine ungestüme Klasse eingestell­t, rührte sie die Wissbegier­igkeit ihrer Schülerinn­en und Schüler fast zu Tränen, berichtet sie. Pata ist Unternehme­rin eines Weiterbild­ungsbetrie­bs für Erwachsene, bringt 30 Jahre Erfahrung als Studiengan­gsleiterin mit. Als Quereinste­igerin im Lehrerberu­f gilt sie trotzdem. An der berufsbild­enden Kunst- und Modeschule Herbststra­ße unterricht­et sie jetzt bei halber Lehrverpfl­ichtung erstmals Oberstufen-Klassen in Wirtschaft­s- und Marketingk­ompetenzen. Die eigene berufliche Erfahrung mit einfließen zu lassen, erweist sich in diesem Bereich als Hauptgewin­n. „Sie passen nicht nur auf, sondern stellen viele Fragen“, erzählt Pata. Sie versteht sich nicht als klassische Lehrerin,

BRAVO

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