Vom Ruderboot ins Klassenzimmer
Lehrer. Sie machten Grundlagenforschung, trainierten Olympiakader und führten Unternehmen. Jetzt unterrichten sie Kinder – alle Vor- und Nachteile des Berufs inklusive
Der Bildungsminister rief und 600 Menschen österreichweit mit dem Wunsch nach Veränderung folgten. Sie sind die Quereinsteiger im Lehrerberuf, die den Schulstart sichern, den Personalmangel lindern – in den nächsten fünf Jahren müssen 20.000 Stellen nachbesetzt werden – und gleichzeitig neue Perspektiven ins Bildungssystem einbringen sollen. Seit September stehen sie nun vor ihren eigenen Klassen. Mit einer akademischen Vorbildung, einem zweiwöchigen pädagogischen Crashkurs und einem erfahrenen Mentor aus dem Lehrkörper an der Seite. Der KURIER hat drei Quereinsteiger an ihrem neuen Arbeitsplatz besucht, um herauszufinden, wie es ihnen mit der Berufswahl geht.
Der erste Tag
„Ich war schon sehr nervös“, erzählt Fabio Becker, als er das erste Mal das Wiener Bernoulligymnasium im 22. Bezirk betrat. „Man will ja gut ankommen bei den Kindern, sicherstellen, dass sie Spaß haben, damit man auch selbst Freude am Unterricht hat“, sagt er. Becker hat Sportwissenschaften studiert, trainierte später den Olympiakader beim Österreichischen Ruderverband. Dafür war er 130 Tage pro Jahr im Ausland – als junger Familienvater war das keine Option mehr.
Die Arbeit mit Jugendlichen war ihm nicht fremd, 10- bis 15-Jährige aber für seinen Sportunterricht zu begeistern, erwies sich dann doch als Herausforderung. „Es war schon intensiv“, erinnert sich Becker an seine ersten Eindrücke vor ein paar Wochen zurück. Die Turnstunde be
MIT EMPFEHLUNG
gann und die Schüler „explodierten“regelrecht – in Lautstärke und Bewegungsdrang. „Ich hätte es mir etwas besonnener vorgestellt“, lacht er und zeigt gleichzeitig Verständnis, weil im restlichen Schulalltag nun mal Stillsitzen angesagt ist. Vor allem für die ersten Klassen sei das die große Herausforderung. „Für sie ist alles neu, wie für mich auch“, erzählt Becker. Sich Gehör zu verschaffen, erforderte Ideenreichtum. Spielerisch gelingt es dann – sofern die Spiele auf Begeisterung stoßen. „Ich habe einen innerlichen Stress, wenn ein Spiel überhaupt nicht gut ankommt“, gesteht der ehemalige Profisportler. Um das zu vermeiden, hat Becker deshalb jetzt immer einen Plan B in der Tasche, denn „solange die Kinder sich bewegen können, ist alles gut.“
„Ich wollte einen lebendigeren Arbeitsalltag mit erfrischender Energie“Zeynep Gökdeniz ehemalig Elektrotechnikerin
Die Überraschungen
Sabine Pata machte in ihrer ersten Stunde die gegenteilige Erfahrung. Auf eine ungestüme Klasse eingestellt, rührte sie die Wissbegierigkeit ihrer Schülerinnen und Schüler fast zu Tränen, berichtet sie. Pata ist Unternehmerin eines Weiterbildungsbetriebs für Erwachsene, bringt 30 Jahre Erfahrung als Studiengangsleiterin mit. Als Quereinsteigerin im Lehrerberuf gilt sie trotzdem. An der berufsbildenden Kunst- und Modeschule Herbststraße unterrichtet sie jetzt bei halber Lehrverpflichtung erstmals Oberstufen-Klassen in Wirtschafts- und Marketingkompetenzen. Die eigene berufliche Erfahrung mit einfließen zu lassen, erweist sich in diesem Bereich als Hauptgewinn. „Sie passen nicht nur auf, sondern stellen viele Fragen“, erzählt Pata. Sie versteht sich nicht als klassische Lehrerin,