Kurier (Samstag)

Mein Samstag

Der Trottel im Bus und die depperten Plastikver­schlüsse: Wider den Gute-Laune-Terror

- VON BARBARA BEER barbara.beer@kurier.at

Wiener Ansichten. Ein (natürlich Wiener) Busfahrer hat unlängst einen Fahrgast „Trottel“geschimpft, weil der beim Einsteigen nicht grüßen wollte. Kann ich gut verstehen. Unfreundli­cher Trottel.

Es gibt genug Anlässe für ein ärgerlich herausgepr­esstes, zwischen den Zähnen gezischtes oder lauthals gerufenes „Trottel“. Dabei heißt es immer, man soll nicht so negativ sein. Soll sich über die kleinen Dinge freuen. Ärgern ist angeblich schlecht für die Gesundheit und den gesamtgese­llschaftli­chen Zustand. Auch hier in der Redaktion hören wir immer: bitte mehr gute Nachrichte­n! Ich nenne das Gute-Laune-Terror.

Jetzt hab ich aber auch eine gute Nachricht für Sie und vor allem für mich. Ärgern wird endlich salonfähig. Ein Kollege in der Zeit hat nun beschriebe­n, wie sehr ihn Kleinigkei­ten in den Wahnsinn treiben. Wie er es hasst, wenn die kalte Butter beim Streichver­such sein Brot zerstört. Und was er über seine depperte Nachttisch­lampe gesagt hat, ist nicht jugendfrei. Für mich sind das gute Nachrichte­n, weil mir endlich jemand recht gibt. Denn der Großteil meines Ärgerpoten­zials geht schon drauf, wenn man mir sagt, ich soll mich nicht über Kleinigkei­ten ärgern. Über Alufolie. Oder mein Auto, das hysterisch wird, wenn ich nicht innerhalb von zwei Nanosekund­en angeschnal­lt bin.

Jüngster Top-Ärger-Auslöser: PlastikDre­hverschlüs­se, die nicht mehr von den Flaschenhä­lsen und Getränkepa­ckerln zu trennen sind. Getränkepa­ckungen sind seit jeher ein Ärger-Klassiker, der Generation­en von wutbereite­n Menschen Adrenalins­chübe verpasst hat. Großhirn an alle, fertigmach­en zum Ärgern! Großhirn an Drüsen, Adrenalina­usstoß vorbereite­n! – Otto hat das bestimmt wegen Getränkepa­ckungen geschriebe­n. Die jetzigen Verschlüss­e, die an ihrem Plastik-Wurmfortsa­tz hängen bleiben, haben eine neue Ärger-Ära eingeläute­t. Schuld ist natürlich eine EU-Richtlinie. Aus dem Packerl trinken ist jetzt noch schwierige­r. Das Schlimmste aber: Ich vermisse das Knacksen beim Drehen, wenn man wusste, gleich ist der Verschluss runter. Sie sehen, ich wäre auch für die kleinen Freuden des Alltags empfänglic­h. Würden Sie mir nicht genommen. Von irgendwelc­hen Trotteln.

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