Kurier (Samstag)

Küssen nicht erwünscht

Ablehnung. Wie Eltern reagieren sollten, wenn Kinder zur Begrüßung von der Oma oder von anderen Verwandten nicht geküsst werden wollen

- VON E. GERSTENDOR­FER

„Ich mag kein Bussi!“– manche Kinder lehnen es ab, zur Begrüßung von Omas, Tanten oder anderen Personen abgebussel­t zu werden. Für Eltern eine schwierige Situation – einerseits wollen sie das Kind nicht zwingen, etwas gegen seinen Willen zu tun, anderersei­ts eine enttäuscht­e Oma vermeiden.

Sätze wie „Gib’ doch der Tante ein Bussi“oder „Stell’ dich nicht so an“sind aber fehl am Platz, weiß Psychologi­n Luise Hollerer. „Wenn ein Kind nicht geküsst werden möchte, dann muss es ,Stopp‘ sagen dürfen. Das bezieht sich nicht auf Küssen alleine, sondern auf alle Bereiche, in denen ein Kind an seinem Körper spürt, was ihm angenehm und was unangenehm ist, etwa bei Umarmungen, beim Knuddeln oder Kitzeln“, betont Hollerer.

Kind unterstütz­en

Der Leitsatz „Mein Körper gehört mir“müsse bewahrt werden. „In jeder Familie gibt es unterschie­dliche Begrüßunge­n, manche sind inniger mit vielen Umarmungen und Küssen, manche sind weniger körperlich miteinande­r. Unabhängig davon gilt für das Kind: Wenn etwas für mich an meinem Körper unangenehm ist, muss das von allen berücksich­tigt werden – egal, ob von der Oma, von Geschwiste­rn, von Eltern, Freunden, Nachbarn.“

Sind Eltern damit konfrontie­rt, dass das Gegenüber eine körperlich­e Begrüßung einfordert, sollten sie das Kind unterstütz­en. Denn: Werden Kinder gegen ihren

Willen dazu gebracht, Küsse zu verteilen oder zu erdulden, sorge das für Ohnmachtsg­efühle. Hollerer: „Wenn mich meine Eltern nicht unterstütz­en, lerne ich, dass ich in einer solchen Situation zu gehorchen habe, weil mir Strafe oder Unwillen droht. Das könnte dazu führen, dass ich in SituatioSt­ell nen, wo ich ohne Eltern bin, auch nicht Stopp sage.“

Form finden

Eltern sollten ihr Kind zur eigenständ­igen Reaktion ermutigen, dass es eben selbst sagt „Nein, ich mag das nicht“. Das heißt aber nicht, dass Kinder die Oma oder andere Personen gar nicht begrüßen sollen. Es gehe darum, eine Form zu finden, die für das Kind passt. „Es ist ganz wichtig, dass Kinder in soziale Konvention­en und ihre Möglichkei­ten eingeführt werden. Eine Begrüßung kann ganz unterschie­dlich ablaufen. Eltern können mit ihrem Kind besprechen, welche Form für es angenehm ist und welche nicht“, erklärt Hollerer. Alternativ­en können etwa Händeschüt­teln, ein sich Anschauen und rein verbales Begrüßen sein. „Kleinere Kinder können oft noch schwer ihr Spiel dafür unterbrech­en, aber ab dem Vorschulal­ter kann eine kurze Pause gemacht werden, um jemanden zu begrüßen.“

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