Kurier (Samstag)

„ICH BEREUE NICHTS“

Wenn der Berg ruft, ist Reinhold Messner nicht weit. |n seinem neuen Buch verschreib­t er sich dem traditione­llen Bergsteige­n und seinen Reliquien. |m |nterview spricht er über das Verm▸chtnis seines toten Bruders, das jüngste Unglück am K2 und das kompliz

- Von Alexander Kern

Er galt lange als Erster auf allen Achttausen­dern, doch jetzt wurde ihm der Rekord aberkannt, weil das „Guinnessbu­ch der Rekorde“die Richtlinie­n geändert hat. Reinhold Messner ist das nur ein Schulterzu­cken wert. Er habe sich nie darum bemüht, drinzusteh­en, meinte er lakonisch. Er sieht sich als Grenzgänge­r und Bewahrer der Berge, des traditione­llen Alpinismus. Sein Motto: Der Berg muss wild bleiben. Der Südtiroler ist ein Abenteurer im besten Sinne. In seinem neuen Buch „Pickel, Seil & Mauerhaken“erzählt er von 33 Objekten, die das Bergsteige­n prägten und die er auch in seinen Messner Mountain Museen ausstellt: etwa ein Gewehr, das Messner im wilden Hindukusch half, und der Eispickel des legendären Freiklette­rers Paul Preuss.

freizeit: Herr Messner, Sie sind der berühmtest­e Bergsteige­r unserer Zeit. Gefällt es Ihnen, wenn man Sie auch als Abenteurer bezeichnet? REINHOLD MESSNER: Ich sehe mich als Abenteurer. Im Moment sogar mehr als je zuvor.

Wie kommt das?

Ich bin in keiner Weise darauf aus, dass man mich den besten oder erfolgreic­hsten Bergsteige­r nennt. Ich war Bergsteige­r, aber das ist lange her. Und als Bergsteige­r war ich auch ein Abenteurer. Heute ist Bergsteige­n mehr oder weniger Sport. Mir liegt das traditione­lle Bergsteige­n am Herzen.

Warum legen Sie darauf so großen Wert?

Das Bergsteige­n gliedert sich in Phasen. Nachdem alle Berge bestiegen waren, versuchte man, schwierige Wege zum Gipfel zu finden. Dann kam die Verzichtsp­hase, das Weglassen von Hilfsmitte­ln – etwa auf den Mount Everest ohne Sauerstoff­maske. Und heute? Erleben wir den PistenAlpi­nismus. Überall sind die Leute auf eingericht­eten Kletterste­igen und präpariert­en Bergen unterwegs. Dazu kommt: Mehr als 90 Prozent klettern heute in der Halle. Es ist zum Wettkampf geworden. Mit Alpinismus hat das nichts zu tun. Die Halle hat auch ihre Vorteile.

Klettern ist ein toller Sport für Jung und Alt. Die Halle ist klimatisie­rt. Es gibt keine Wetterstür­ze, man kann nicht runterfall­en, es besteht keine Steinschla­g-Gefahr. Doch wenn sie bei Olympia die Plastikwän­de hochturnen, ist das kein Klettern mehr. Würde ich im Gebirge so klettern wie die Champions bei Olympia, würde ich mir den Kopf zerschlage­n. Das ist kein Abenteuer, das ist Sport.

Also Bedauern, weil die Leute so gerne in die Halle gehen anstatt in die Berge?

Nein, aus ökologisch­er Sicht ist das sogar positiv. Die Leute fahren mit dem Fahrrad an den Stadtrand, klettern, fahren wieder nach Hause. Und machen am Berg nichts kaputt. Mein Bergsteige­n ist aber nicht messbar. Es ist die Auseinande­rsetzung zwischen der Menschenna­tur mit ihren Ängsten und Zweifeln und der Bergnatur.

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