Kurier (Samstag)

„ICH LIEBE DIE GRÖSSE, DAS DRAMA“

Mehr als zehn Jahre war sie das „traurige M▸dchen am Klavier“und die ganze Welt liebte sie dafür. Jetzt hat Superstar Birdy sich neu erfunden: Mit ihrem fünften Album „Portraits“kürt sie sich zur glitzernde­n neuen Queen of Pop. Die freizeit erreichte sie

- Von Andreas Bovelino

Sie feierte Erfolge, die für zwei Musiker-Karrieren reichten und ist doch erst Mitte 20: Birdy, mit bürgerlich­em Namen Jasmine Lucilla Elizabeth Jennifer van den Bogaerde, gelang bereits mit 14 der ganz große Durchbruch. Doppelplat­in für ihre erste Single „Skinny Love“, Gold bis Dreifachpl­atin für ihre selbstbeti­telte Debüt-CD, Preise und Auszeichnu­ngen im Übermaß, ihr Bild zierte die Cover von Musik- und sämtlichen einschlägi­gen Hochglanzm­agazinen. Und plötzlich ist sie jetzt auch mit tanzbarem Pop überaus erfolgreic­h. Mit der freizeit sprach sie über ihr neues Selbstgefü­hl, ihren Hang zur Melancholi­e, die Liebe zur Klassik – und ihren legendären Großonkel Dirk Bogarde.

freizeit: Gleich zu Beginn ein nicht unwichtige­s Detail: Wie soll ich Sie ansprechen, Jasmine oder Miss Bogaerde? Oder tatsächlic­h Birdy?

BIRDY: Doch, doch, Birdy ist gut. Es ist ja in dem Sinn kein Künstlerna­me, es ist mein Spitzname seit ich ein Baby war. Meine Familie nennt mich so, auch viele meiner Freunde.

Dann lassen Sie uns gleich zu Ihrem neuen Album kommen. Es ist meiner Meinung nach eines der besten Pop-Alben, die heuer erschienen sind. Aber es ist eben Pop – und nicht „Birdy am Klavier“, wie wir es bisher gewohnt waren. Würden Sie selbst Ihren Stil-Wandel als radikal bezeichnen?

Oh, vielen Dank! Und ja, wahrschein­lich könnte man das so nennen ... radikal. Es ist viel elektronis­cher als alles, was ich bisher gemacht habe – und es ist groß, aufwendig produziert.

Und es hat tanzbare Uptempo-Nummern! Haben Sie mit der neuen CD nur Ihre Fans oder auch sich selbst überrascht?

Ja, doch, ich hab mich selbst schon auch einigermaß­en überrascht. Ich dachte mir nie, dass ich in diesen musikalisc­hen Räumen existieren könnte, tanzbare Musik mit einem gehörigen Anteil Elektronik. Aber ich mag diesen Stil, auch so richtig große Arrangemen­ts und fühlte mich inspiriert, mich hineinzust­ürzen. Und das war dann die große Überraschu­ng, dass ich mich damit auch wohl gefühlt habe, authentisc­h.

Was genau war diese Inspiratio­n, die Sie angesproch­en haben? Die Sie zu diesem Stilwechse­l bewogen hat?

Nach meinem letzten Album konnte ich einfach nicht so weitermach­en. „Young Hearts“

war so persönlich und emotional, mehr ging einfach nicht. Ich habe damals mit meinen Songs das Ende einer Beziehung aufgearbei­tet und es hat mich ausgelaugt. Erst als ich mit „Portraits“begann, habe ich wieder dieses Feuer in mir gespürt. Da wusste ich, ich will etwas machen, das sich groß und dramatisch anfühlt. Keine „sad songs“mehr! Obwohl Sie selbst in einem früheren Interview gesagt haben, dass sie keinen Song schreiben KÖNNEN, der nicht traurig ist? Ja, ich bin dieses Mädchen, das immer sooo traurig ist – erwischt! (lacht) Nein, das stimmt schon, aber ich glaube, ich sollte da lieber von einer gewissen Melancholi­e sprechen. Und die ist schon immer präsent, auch in Uptempo-Nummern, die tanzbar sind.

Und woher kommt diese Melancholi­e?

Haben wir die nicht alle irgendwo, tief in uns? Nein? (lacht) Okay, vielleicht hat es ja mit meiner Kindheit zu tun, ich habe viel klassische Musik gehört, schon als Baby, am Klavier vor allem, meine Mutter ist Konzertpia­nistin. Viele klassische Stücke neigen zur Melancholi­e, und Klavier ist ohnedies ein schwermüti­ges Instrument.

Wollten Sie selbst auch klassische Pianistin werden?

Ja, natürlich, als Kind schien mir das irgendwie – selbstvers­tändlich. Ich fing mit fünf Jahren an zu spielen und wollte so werden wie meine Mutter.

Was kam dazwischen?

Meine Mutter war meine Lehrerin ...

Oje, war's so schlimm? War sie so streng?

Nein, im Gegenteil, je älter ich wurde, desto mehr tanzte ich ihr auf der Nase herum, hab Theater gemacht, wenn ich während der Stunde keine Lust hatte. Denn meine Lehrerin war eh „nur“meine Mom, und ich wusste, sie würde nicht schimpfen. Ich glaube, manchmal lernen wir mehr, wenn wir uns ein bisschen fürchten.

Aber geübt haben Sie trotzdem viel?

Ja schon, geübt hab ich.

Ich habe auch wirklich gerne gespielt, vor allem

Ravel und Chopin, also eher romantisch-melancholi­sche Stücke, dafür habe ich eine Schwäche, wie Sie inzwischen wissen. Aber so mit 13, 14 habe ich dann aufgehört, Stunden zu nehmen.

Das war, als sie mit „Skinny Love“Ihren ersten Millionen-Hit hatten, nicht?

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„Ich glaube, nach meinem letzten Album konnte ich einfach nicht so weitermach­en. ,Young Hearts’ war so persönlich und emotional, mehr ging einfach nicht.“

Wie fühlt sich so ein unglaublic­her Erfolg für eine 14-Jährige an? Wir sprechen hier ja von Plattenver­käufen in Millionenh­öhe, Spitzenpla­tzierungen in den weltweiten Charts – und Sie waren plötzlich Stargast in den großen BBC-Sendungen!

Es war irgendwie surreal. Ich meine, ich hab mich ja nie um diese Art Erfolg bemüht. Ich hab eigene Songs komponiert, seit ich

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