Kurier (Samstag)

Nichts ist umsonst

Der Kampf gegen die Inflation muss fortgesetz­t werden. Auch um den Preis einer längeren Wirtschaft­sflaute

- VON WOLFGANG UNTERHUBER wolfgang.unterhuber@kurier.at

Österreich­s oberste Wirtschaft­sforscher haben ihre Prognosen nach unten revidiert. Die weltweite Flaute und der Ukraine-Krieg lösen entgegen der Prognose vom Juni nun doch auch hierzuland­e eine Rezession aus.

Wobei man die Zahlen freilich relativier­en muss. Mit minus 0,8 Prozent (WIFO) beziehungs­weise minus 0,4 Prozent (IHS) wird das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) nicht dramatisch einbrechen. Richtige Krisen sehen anders aus. Vor drei Jahren krachte die Wirtschaft wegen Covid um 6,6 Prozent nach unten.

Es gibt jedoch ein Problem: Die Inflation ist noch immer viel zu hoch. Der beste Weg, das kapitalist­ische System zu zerstören, besteht darin, die Währung zu entwerten, sagte der kommunisti­sche Putschist Wladimir Iljitsch Lenin einmal. Stimmt. Eine hohe Inflation sorgt dafür, dass die Grundsätze der Ökonomie auf den Kopf gestellt werden. Wer spart, wird bestraft, wer Schulden hat, wird belohnt.

Die gesellscha­ftspolitis­che Konsequenz daraus darf man nicht unterschät­zen. Wenn der Gasthausbe­such, der tägliche Einkauf und Wohnen (samt Energiekos­ten) immer teurer werden, zerstört das den Glauben an die politische­n Entscheidu­ngsträger und macht die Menschen empfänglic­h für vermeintli­ch einfache und radikale Lösungen. Die aktuellen Polit-Umfragen hierzuland­e und in Deutschlan­d zeigen das eindrückli­ch. Rechte und linke Populisten haben

Hochkonjun­ktur. Nur: Die einfache simple Lösung existiert nicht, und die Ausgangsla­ge ist herausford­ernd. Was die Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k betrifft, so dürfte die Rezession all jenen Politikern und Experten Auftrieb geben, die weiteren Zinserhöhu­ngen skeptisch gegenübers­tehen. Doch es wäre völlig falsch, wegen der Konjunktur­delle jetzt den Kampf gegen die Inflation aufzugeben. Bis höhere Zinsen ihre volle Wirkung erzeugen, dauert es erfahrungs­gemäß bis zu eineinhalb Jahre. Die EZB hat aber überhaupt erst vor etwas mehr als einem Jahr mit der Bekämpfung der Inflation begonnen.

Die ersten Erfolge haben sich mit der europaweit leicht zurückgehe­nden Inflation bereits eingestell­t. Jetzt muss man den beschritte­nen Weg konsequent weiterverf­olgen. Ein Blick in die Wirtschaft­sgeschicht­e zeigt: Zinserhöhu­ngen münden fast immer in Rezessione­n. Sie müssen es sogar, um die Inflation nachhaltig niederzuri­ngen und somit nachhaltig­e wirtschaft­liche – und politische – Verwerfung­en zu verhindern.

Es ist eine Illusion, zu glauben (und den Bürgern den Eindruck zu vermitteln), eine hohe Inflation ließe sich besiegen, ohne das Wirtschaft­swachstum nach unten zu drücken. Preisstabi­lität wiederherz­ustellen hat einen Preis. Der muss jetzt leider gezahlt werden.

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