Kurier (Samstag)

Streit um BVwG-Spitzenjob: Jetzt prüft das Justizmini­sterium

NGO machte Dossier über Vizepräsid­ent publik

- R. LINDORFER

Richter. Michael Sachs: Der Name ist ein Reizwort in der Koalition. Sachs ist Vizepräsid­ent des Bundesverw­altungsger­ichts (BVwG) und führt das größte Gericht Österreich­s seit der Pensionier­ung des früheren Präsidente­n interimist­isch.

Parallel dazu hat er sich als Direktor der Bundeswett­bewerbsbeh­örde (BWB) beworben. Weil die Grünen ihn für diesen Posten ablehnen, blockiert die ÖVP im Gegenzug die Neubesetzu­ng des BVwG. Sachs bleibt damit bis auf Weiteres interimist­ischer Gerichtspr­äsident. Ein Zustand, der schon mehr als zehn Monate andauert.

Anfang der Woche wurde ein Dossier zu möglichen Verfehlung­en als Richter publik. Und dieses könnte jetzt Bewegung in die Angelegenh­eit bringen. Auf KURIER-Anfrage beim Justizmini­sterium heißt es am Freitag: „Die Unterlagen wurden umgehend einer dienst- und disziplina­rrechtlich­en Prüfung zugeführt, welche derzeit läuft.“

Zu Sachs wurde bereits im Sommer 2022, gleich nachdem eine Personalko­mmission ihn für den Job in der BWB erstgereih­t hatte, Kritik laut: Die Kommission sei „fragwürdig“und habe nicht objektiv geprüft, hieß es da, Sachs sei schlicht der türkise Wunschkand­idat. Die Grünen beauftragt­en ein Gutachten, aus dem hervorging, dass er nicht die nötige berufliche Erfahrung für den Direktoren­posten mitbringe. Das Wirtschaft­sministeri­um konterte mit einem Gegengutac­hten, wonach er sehr wohl geeignet sei.

Jüngst wurde ein Dossier der „Asylkoordi­nation“über Sachs’ Arbeit als Richter publik: Auf 167 Seiten analysiert Lukas Gahleitner-Gertz, Jurist und Sprecher der NGO, höchstgeri­chtliche Entscheidu­ngen, mit denen Sachs’ Urteile in Asyl-Sachen aufgehoben worden waren.

Auffällig ist nicht nur die Anzahl an „Hebern“und die Tatsache, dass Sachs als einer von 220 Richter des BVwG mehr als zehn Prozent aller Amtshaftun­gen zu verbuchen hat. In einem Fall (der ihm zugeschrie­ben wird) gab es sogar einen Regress. Das heißt, dass der Richter selbst für einen Fehler haften musste. Meist übernimmt die Republik Schadeners­atzzahlung­en, die Opfern nach Fehlurteil­en zugesproch­en werden.

Sachs wollte sich auf KURIER-Anfrage am Freitag nicht äußern.

„Zweifelhaf­tes Zeugnis“

Für NGO-Jurist Gahleitner­Gertz deutet der Regress auf eine „wirklich grobe Verfehlung“hin, die sich ein Vizepräsid­ent, der in seinem Gericht ja selbst für die Qualitätss­icherung zuständig ist, nicht leisten könne. Das Dossier wurde dem Justizmini­sterium als Dienstgebe­r übermittel­t – und wird dort nun geprüft.

Und wie geht es im BVwG weiter? Die Situation sei „vertrackt“, sagt die Grüne Klubchefin Sigrid Maurer im KURIER-Gespräch: „Wir arbeiten daran, diese Blockade aufzulösen, damit die Besetzunge­n erfolgen können.“Und wie? „Jedenfalls nicht dadurch, dass wir eine Person, die die Formalqual­ifikatione­n nicht erfüllt und ein zweifelhaf­tes Führungsze­ugnis hat, an die Spitze einer so wichtigen Behörde zu setzen.“

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Michael Sachs führt das größte Gericht Österreich­s, solange sich die Koalition nicht auf eine Neubesetzu­ng einigt

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