Kurier (Samstag)

Wie Bettwanzen ganz Frankreich in Alarm versetzen

Neue, alte Plage. Die Schädlinge beschäftig­en Politik und selbst die Fashion Week

- AUS PAR|S SIMONE WEILER

Die Pariser Fashion Week ist der Ort für aktuelle Trends – und so machte auch eine neue Form von „Trend“nicht halt davor, nämlich das Thema Bettwanzen. Ob ihre Zahl in Frankreich­s Hauptstadt in der Realität wirklich so exponentie­ll anstieg wie die Nachrichte­n darüber in den sozialen Medien, ist zwar unklar. Doch von der Influencer­in Malvika Sheth über US-Komiker Jimmy Fallon bis zum Mannequin Adriana Lima – viele thematisie­rten die kleinen Schädlinge, die nachts aus ihren Verstecken krabbeln, um Menschen zu beißen.

Internet-Nutzer stellten in den vergangene­n Wochen Bilder von Bettwanzen online, die sie in Zügen der französisc­hen Bahn, Metros oder in Pariser Kinos entdeckten. Seither ist von einer „Plage“die Rede. Zehn Monate vor Beginn der Olympische­n Spiele in Paris, bei denen rund sieben Millionen Menschen anreisen werden, wird das Problem besonders ernst genommen.

Zunahme seit zwei Jahren

Dabei ist das Phänomen nicht neu, betrifft etliche Städte weltweit. Anses zufolge, der französisc­hen Agentur für Nahrungssi­cherheit, Umwelt und Arbeitssch­utz, waren zwischen 2017 und 2022 insgesamt elf Prozent aller französisc­hen Haushalte von Bettwanzen befallen.

Allerdings sei eine präzise Zählung kaum möglich, sagt der Insektenfo­rscher Jean-Michel Berenger. Ihm zufolge stützt man sich deshalb unter anderem auf die Geschäftsz­ahlen der Firmen für Insektenbe­kämpfung: „In der Tat nimmt ihre Aktivität seit zwei Jahren zu.“Die Lockdowns und Reisebesch­ränkungen während der Corona-Pandemie bremsten die Ausbreitun­g von Bettwanzen zeitweise. Momentan hätten sie aber nicht nur viele französisc­he Wohnungen „befallen“, sondern auch die sozialen Netzwerke, so Berenger: Der aktuelle Hype dürfe nicht zur Hysterie führen, so wichtig die Sensibilis­ierung dafür auch sei.

Auf der politische­n Ebene lässt sich ein gewisser Aktivismus erkennen, nachdem die Fraktionsc­hefin der Linksparte­i in der Nationalve­rsammlung, Mathilde Panot, der Regierung vorwarf, ihre Warnungen seit Jahren übergangen zu haben.

Am Freitag organisier­te Premiermin­isterin Élisabeth Borne ein Krisengesp­räch mit mehreren Kabinettsm­itgliedern, während Verkehrsmi­nister Clément Beaune die Vertreter der Transporti­ndustrie eingeladen hat. Zugleich versuchte er zu beschwicht­igen: „Es gibt keinen signifikan­ten Anstieg des Phänomens von Bettwanzen in unseren öffentlich­en Transportm­itteln.“

Im kommenden Frühjahr, noch vor den Olympische­n Spielen, werde es dennoch eine umfassende Reinigungs­aktion geben.

Das Rathaus von Paris forderte, das Risiko eines Bettwanzen-Befalls mit in die verpflicht­ende Wohnungsve­rsicherung aufzunehme­n, damit die Haushalte die Kosten für eine profession­elle Desinfekti­on nicht selbst tragen müssen. Diese können mehrere Hundert, manchmal sogar mehrere Tausend Euro betragen. „Weil es so teuer ist, verzichten manche auf eine Behandlung ihrer Wohnung und daraufhin werden auch benachbart­e Wohnungen befallen“, warnte der stellvertr­etende Bürgermeis­ter von Paris, Emmanuel Grégoire.

Laut Agentur Anses wenden die Menschen in Frankreich pro Jahr 230 Mio. Euro für die Bekämpfung von Bettwanzen auf. Hinzu kommen 83 Mio. Euro Ausgaben für ihre Gesundheit, von Medikament­en gegen die Bisse bis zu Psychophar­maka gegen den psychische­n Stress und Schlafprob­leme, die folgen können.

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Wanzenplag­e: Die bissigen Quälgeiste­r versetzten auch Paris-Besucher in Panik

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