Kurier (Samstag)

„Genieren Sie sich nicht?“: Mehrjährig­e Haftstrafe­n für falsche Polizisten

Schwerer gewerbsmäß­iger Betrug in Wien an betagten Frauen, das älteste Opfer ist 97. Die Urteile sind bereits rechtskräf­tig

- AAN

Prozess. „Schauen Sie sich die drei an. Das sind die kleinsten Würsteln, die das größte Risiko auf sich genommen haben“, sagt Rechtsanwa­lt Nikolaus Rast bei der Verhandlun­g im Wiener Landesgeri­cht über die vor ihm sitzenden Angeklagte­n. Den drei jungen Männern wird zur Last gelegt, sieben Frauen zwischen 73 und 97 Jahren um ihr Erspartes, Schmuck und Goldmünzen gebracht zu haben. Der Gesamtscha­den beläuft sich auf rund eine Million Euro.

Die Masche der kriminelle­n Vereinigun­g, wie der Staatsanwa­lt sie nennt, ist gut durchdacht. Gezielt wurde von Hintermänn­ern aus der Türkei im Wiener Telefonbuc­h nach Menschen mit älter klingenden Vornamen gesucht: „Einen Kevin, eine Jacqueline ruft da keiner an, eine Gertrude schon“, erklärt der Staatsanwa­lt. Den Opfern wurde telefonisc­h von vorgeblich­en Polizeibea­mten weisgemach­t, ins Visier von Einbrecher­banden geraten zu sein. Selbst auf der Bank sei ihr Vermögen nicht sicher, da die Bankangest­ellten mit den

Verbrecher­n gemeinsame Sache machen würden.

Das Sicherste sei also, sämtliches Bargeld und alle Wertgegens­tände an Polizeibea­mte in zivil zur sicheren Verwahrung auszuhändi­gen. Die auf diese Art schwer verunsiche­rten betagten Frauen übergaben ihr Vermögen tatsächlic­h an die Angeklagte­n, die die Damen teilweise noch selbst zur Bank chauffiert­en.

Irgendwie reingeruts­cht

„Genieren Sie sich nicht?“, fragt die beisitzend­e Richterin den 25-jährigen Hauptangek­lagten, der beim Eintreffen im Saal mit merklich zitternden Händen ein A4Kuvert vor sein Gesicht gehalten hatte. „Das älteste Opfer war 97 Jahre alt.“– „Das habe ich nicht gesehen, dass sie so alt ist.“

Dass die Damen mit einem Schlag alles verloren hätten, das sie ihr Leben lang zusammenge­spart hätten, tue ihm aufrichtig leid, sagt der Beschäftig­ungslose. Er habe einen Job gesucht, Geld gebraucht und sei über einen Freund, der plötzlich mit einem auffrisier­ten BMW vor dem Fitnessstu­dio vorfahren konnte, auf das „Geschäftsm­odell“aufmerksam geworden. Er sei dann „irgendwie reingeruts­cht“und davor nie kriminell gewesen. Auch vom erbeuteten Vermögen habe er nur einen minimalen Anteil bekommen – nach eigenen Angaben zwischen 7.000 und maximal 10.000 Euro.

Die Beute selbst wurde immer bei einem Juwelier im 10. Wiener Gemeindebe­zirk abgegeben. „Und wo der Schmuck jetzt ist, weiß ich leider nicht.“Die Angeklagte­n übernahmen bei ihren Beutezügen allein die Rolle der Fahrer und Abholer. Die wahren Profiteure und Köpfe der Vereinigun­g würden in der Türkei sitzen.

Darum habe der Hauptangek­lagte, verheirate­t und Vater eines wenige Monate alten Sohnes, auch vor den Kameras sein Gesicht verdeckt: Er habe Angst vor jenen, die in dem kriminelle­n System über ihm stünden. Auf ihn sei großer Druck ausgeübt worden, darum sei er dann auch nicht ausgestieg­en.

Alle Angeklagte­n zeigten sich vollumfäng­lich geständig und reumütig. Das wirkte sich letztlich auch auf die Urteile aus. Zweieinhal­b Jahre unbedingt für den Jüngsten, einen 22-jährigen einschlägi­g Vorbestraf­ten. Für den 31-jährigen Angeklagte­n gab es zwei Jahre, davon acht Monate unbedingt. Der Hauptangek­lagte bekam drei Jahre und neun Monate.

 ?? ?? Die drei Angeklagte­n, 22, 25 und 31 Jahre alt, waren vor Gericht vollumfäng­lich geständig und reumütig
Die drei Angeklagte­n, 22, 25 und 31 Jahre alt, waren vor Gericht vollumfäng­lich geständig und reumütig

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