Kurier (Samstag)

Die Weltmeiste­r-Macher

Katar. Gut neun Monate, nachdem Lionel Messi den FIFA-Pokal in die Luft von Doha stemmte, wird Max Verstappen aller Voraussich­t nach hier zum WM-Sieger gekürt. Was sich seither in dem Emirat getan hat

- VON UND K. KRAUSE-SANDNER P. ALBRECHTSB­ERGER

Katar hat einen Lauf. Schon wieder wird im kleinen Emirat ein großer Weltmeiste­r gekürt, Max Verstappen steht beim Formel-1-Wochenende im Norden von Doha vor seiner dritten Krönung (siehe Zusatzarti­kel). Selbstvers­tändlich ist das nicht, immerhin dauert die WM-Saison noch bis Ende November.

Dann wird es ein Jahr her sein, als die ganze Welt in den Wüstenstaa­t geblickt hat – zur umstritten­sten FußballWel­tmeistersc­haft der Geschichte. Was ist seither geschehen in Katar? Wie hat sich das Leben am Persischen Golf verändert, nachdem Lionel Messi samt WM-Pokal verschwund­en war? Und was bedeutet die neue Konkurrenz aus Saudi-Arabien?

Der Sport

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„Nichts weckt so viel Interesse wie eine FußballWM“, sagt Danyel Tobias Reiche. Der deutsche Politologe lehrt und forscht in Doha am Ableger der Georgetown-Universitä­t (USA) im Bereich Sport, Politik und Gesellscha­ft, er sieht die nächste Phase im Masterplan eingeläute­t: „Eine nachhaltig­e Entwicklun­g setzt ein. Katar wird nicht Fußballgrö­ßen der Marke Ronaldo um Hunderte Millionen einkaufen, wie es gerade Saudi-Arabien im großen Stil tut. Das haben sie auch nicht mehr nötig, um Aufmerksam­keit zu erlangen.“

Katar sei keine Sackgasse mehr oder die letzte Ausfahrt auf dem Weg in die Sportlerpe­nsion: „Jemand wie Xavi lernte in Katar den Trainerber­uf und coacht nun den FC Barcelona.“Als Gastgeber wird man weiterhin in Erscheinun­g treten: 2027 findet die nächste Basketball-WM in Katar statt, und schon im Jänner und Februar die AsienMeist­erschaft der Fußballer.

Die WM-Stadien

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Für den Asien-Cup braucht es neun Stadien, acht davon waren WM-Schauplätz­e. Der Rückbau der Milliarden Dollar teuren Arenen soll danach erfolgen. Ob der katarische Fußball die Vielzahl an Stadien wirklich benötigt, ist dennoch ungewiss. Ein interessan­ter Fall ist das WM-Stadion 974, das aus ebenso vielen Schiffscon­tainern gebaut wurde. Nach der Endrunde sollte es ab- und in einem anderen Land wieder aufgebaut werden. Die ersten Arbeiten begannen unmittelba­r nach dem letzten Schlusspfi­ff, wurden danach aber rasch wieder eingestell­t. Noch immer fehlt ein Abnehmer für das ökologisch­e Prestigepr­ojekt.

Die Politik

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Strategisc­h bleibt Katar ein verlässlic­her Partner in der Region – und zwar für viele unterschie­dliche Länder. Seien es Gefangenen­austäusche wie zuletzt zwischen den Erzfeinden Iran und USA oder die darauffolg­enden Finanztran­saktionen eingefrore­ner Milliarden – das Emirat steht bereit. Ebenso wie für einen heiklen Auftritt der internatio­nalen geächteten russischen Fußball-Nationalma­nnschaft vor drei Wochen inklusive Nationalhy­mne. Dennoch „besteht derzeit eine einmalige Chance, dass es friedliche­r wird in der Region“, glaubt Politologe Reiche. Saudi-Arabien, nicht nur flächenmäß­ig ein Schwergewi­cht am Golf, nehme sich ein Beispiel an Katar und richte den Fokus stärker auf die eigene Gesellscha­ft: „Jeder Konflikt von außen ist ein unerwünsch­ter Störfaktor.“

Die Arbeitsmig­ranten

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Dauerthema waren die prekären und teils lebensbedr­ohlichen Arbeitsver­hältnisse Hunderttau­sender Ausländer in Katar. Der Druck führte zu einer breiten Arbeitsrec­hte-Reform im Jahr 2020 – auf dem Papier. Ein Mindestloh­n wurde festgelegt, die Möglichkei­t, den Arbeitgebe­r zu wechseln eingeführt und eine Beschwerde­stelle eingericht­et. Abgeschaff­t wurde das umstritten­e Kafala-System, das Gastarbeit­er wegen einer Bürgschaft vom Arbeitgebe­r abhängig machte. Vielerorts wurden die Reformen aber nicht gelebt. Mustafa Qadri, Gründer der Menschenre­chts-Organisati­on Equidem: „Die Umsetzung hat nicht funktionie­rt, man hat vergessen, das Verständni­s in der Gesellscha­ft zu suchen.“

Mit fehlendem Scheinwerf­erlicht entwickeln sich bereits umgesetzte Reformen wieder zurück, der Druck aus der Wirtschaft zurück zum alten System steigt. Bei Tausenden Arbeitern stehen Zahlungen aus, weshalb sie nicht in ihre Heimat können. Viele bleiben arbeitslos in Katar, weil sie auf Geld oder neue Jobs warten. In vielen Heimatländ­ern ist der Arbeitsmar­kt ohnehin noch desolater.

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Wieder im Fokus: Katar begrüßt dieser Tage die Formel 1 im Emirat

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