Kurier (Samstag)

A-WOP-BOP-ALOO-MOP-ALOP-BAM-BOOM!

Das Poolinale-Festival im Filmcasino bringt aktuell spannende Musikfilme nach Wien. Unter anderem „| am Everything“, eine Doku über einen chronisch untersch▸tzten Helden des Rock ’n’ Roll, der vielleicht tats▸chlich der „King“war: Little Richard.

- Von Andreas Bovelino

Man hat Richard Wayne Penniman nicht sofort auf dem Radar, wenn's um ikonografi­sche Stars geht, die eine musikalisc­he Ära prägten. King Elvis, klar, die Beatles und ihre räudigen Herausford­erer von den Rolling Stones, später Glam- und Hardrock-Helden wie Bowie und Led Zeppelin, in den 1980ern dann Prince und Michael Jackson als Duellisten um den Thron des Pop-Königs – aber Little Richard?

Doch der gar nicht so kleine Mann aus dem Süden der USA war viel mehr als Tutti Frutti. Okay, das war er natürlich auch und jede Menge „A-wop-bop-a-loo-mop-a-lop-bamboom!“oben drauf. Exzentrisc­h, grell, auffallend – ein Performer, wie man ihn sich in den Wirtschaft­swunder-Fünfzigern nicht einmal zu träumen getraut hatte. Nicht umsonst nannte Bob Dylan ausgerechn­et Tutti Frutti „den Beginn des Rock ’n’ Roll“.

Von einem anderen Stern

Und Little Richard WAR Rock ’n’ Roll. Mit großer Frisur und geschminkt, in Crop-Tops und hautengen Hosen, mit Flitter und in Fantasie-Roben oder übergroßen Anzügen, die er auch gemeinsam mit einigen seiner sechs Brüder hätte tragen können, nahm er sehr viel davon vorweg, was da noch kommen würde. Er war wie ein Mann von einem anderen Stern – und ebnete damit den Weg für viele bunte, extravagan­te und glamouröse Rockstars. So gesehen ist es auch kein Wunder, das David Bowie, der Spider from Mars, zu seinen größten Bewunderer­n zählte. Als er noch David Jones hieß, hörte er als Zehnjährig­er zum ersten Mal den „Schlachtru­f“zu Beginn von Tutti Frutti im Londoner Radio. Für ihn war es „die Stimme Gottes“, wie er später dem Musikmagaz­in Rolling Stone erzählte.

Willkommen im Fan-Club

Und es ist ein mehr als illustrer Fanclub, in dem Mr. Bowie hier Mitglied ist. Mick Jagger, dem es neben der Stimme vor allem auch der Tanzstil und die Outfits Richards’ angetan haben gehört ebenso dazu, wie Paul McCartney, der vom Meister selbst

Tipps bekommen hatte, wie man so richtig ekstatisch schreit beim Singen. Ja, die Beatles hatten einigen persönlich­en Kontakt mit ihm, in den frühen 60ern waren sie in Deutschlan­d Vorband für den Rock ’n’ Roller. Janis Joplin war ebenso von ihm begeistert wie Elton John, der über ihn sagte: „Ich hatte Gänsehaut, als ich ihn zum ersten Mal sah. Es gibt keinen Zweifel, er ist musikalisc­h, stimmlich und visuell mein größter Einfluss.“Aber auch Musiker, die man nicht mit Glamour und Bling-Bling verbindet, sondern eher mit Cowboystie­feln und Karohemden, zählen zum Kreis seiner Verehrer. Der legendäre John Fogerty etwa, selbst eine Naturgewal­t am Mikro, sagte über Richard:

„Er war der größte Rock’n’Roll-Sänger aller Zeiten.“Und wenn man das erst einmal weiß, erkennt man ihn auch in einigen Hits von Fogertys Band CCR wieder. Sogar Crooner Tom Jones gehört zum Club, und bei einem fantastisc­hen Duett in seiner eigenen TV-Show von 1969 sieht man ihm die Bewunderun­g förmlich an.

Der Zerrissene

Viele dieser Stars kommen in der LittleRich­ard-Doku „I am Everything“, die schon beim Sundance Festival bejubelt wurde und den „Architekte­n des Rock ’n’ Roll“, wie er sich selbst gern nannte, endlich ins rechte Licht rückt, zu Wort.

Man erlebt auch die Achterbahn­fahrt mit, die seine Karriere ausmachte. 1958, auf der Höhe seines Ruhms, nur drei Jahre nach seinem Durchbruch, zieht er sich aus der Popmusik zurück, predigt und nimmt nur noch Gospels auf. Ein Wink Gottes sei es gewesen, als sein Flieger bei einer Australien­Tour in Turbulenze­n kam, heißt es ursprüngli­ch. Nein, er habe jüdische Theologie studiert, erklärt er 15 Jahre später einem völlig verblüffte­n BBC Journalist­en, noch einmal zehn Jahre danach sagt er David Letterman im Interview, er habe versucht, seine Schulbildu­ng nachzuhole­n, um zu verhindern, dass seine Manager ihn übers Ohr hauen ...

Richard kam zurück: Schon 1962 tourte er in Europa mit den noch grünen Beatles und hatte bald darauf einen jungen Gitarriste­n namens Jimi Hendrix in der Band. Mit den beiden ging es nicht lange gut, sie waren beide fürs Rampenlich­t geschaffen, man ging nicht im Guten auseinande­r. Aber ein wenig von der Extravagan­z seines ehemaligen Chefs nahm sich Jimi schon mit. Richard sollte sich in den späten Siebzigern wieder von der Musik ab- und der Religion zuwenden, um Mitte der Achtziger ein neues Comeback zu versuchen. Ein Hin und Her zwischen Partys, Drogen, Sex und frommer Enthaltsam­keit, Himmel und Hölle oder umgekehrt, wer kann das schon sagen. Er war ein Zerrissene­r, der Vater schmiss ihn mit 13 aus dem Haus, weil er ihn in den Kleidern

seiner Mutter erwischt hatte, Richard sang als Kind im Kirchencho­r und trat als Teenager in Drag-Shows auf, lange bevor das chic wurde. Er sei schwul, sagte er offen, um später zu erklären: „Ich MUSSTE mich verkleiden. Ohne Make-up und Fummel hätte ich nicht für weiße Girls spielen dürfen, aber so war ich keine Gefahr.“„Little Richard hat sich von seiner Queerness losgesagt, weil er nicht in der Hölle brennen wollte. So wurde er erzogen. So wurden wir alle erzogen. Er war gut darin, andere zu befreien – aber nicht sich selbst“, sagt ein Weggefährt­e dazu im Film. Als Richard dem großen Muhammad Ali bei einer Feier zu dessen 50. Geburtstag ein Ständchen spielte, sagte Ali in die Kamera: „Er ist der King!“Vielleicht hatte er ja Recht.

Pink Floyd & Willi Resetarits

Beim Poolinale-Festival im Filmcasino laufen neben „Little Richard“(12.10.) eine Reihe weiterer, höchst empfehlens­werter MusikFilme. Wunderbar gemachte Porträts über Cindy Lauper, Joan Baez, Pete Doherty – und auch Jürgen Moors „Vom ewechn Lem“, der gefeierte Konzertfil­m über die österreich­ische Supergroup mit dem unvergesse­nen Willi Resetarits, Walter Soyka, Hannes Wirth und Ernst Molden.

Ebenfalls höchst spannend: „Squaring the Circle“von Star-Regisseur Anton Corbijn, ein Film über das Design-Studio Hypgnosis, das für die legendäre Cover-Art von Bands wie Pink Floyd, Genesis, Black Sabbath und Alan Parsons Project verantwort­lich war. filmcasino.at

 ?? ??
 ?? ?? Schwarz, queer und laut: Little Richard riss im konservati­ven Amerika einige Mauern nieder. Hier mit seiner Band im Jahr 1956 bei einem TV-Auftritt
Schwarz, queer und laut: Little Richard riss im konservati­ven Amerika einige Mauern nieder. Hier mit seiner Band im Jahr 1956 bei einem TV-Auftritt
 ?? ?? „Die Stimme Gottes“hörte der junge David Bowie, als Little Richard zum ersten Mal im Londoner Radio lief. Über all seine Extravagan­z vergaß man oft, was für ein außergewöh­nlicher Sänger er war
„Die Stimme Gottes“hörte der junge David Bowie, als Little Richard zum ersten Mal im Londoner Radio lief. Über all seine Extravagan­z vergaß man oft, was für ein außergewöh­nlicher Sänger er war
 ?? ?? „Molden, Resetarits, Soyka, Wirth“– so hieß Österreich­s Supergroup um den unvergesse­nen Willi Resetarits. „Vom ewechn Lem“heißt der Film über die Band. Am 23.11. im Kino
„Molden, Resetarits, Soyka, Wirth“– so hieß Österreich­s Supergroup um den unvergesse­nen Willi Resetarits. „Vom ewechn Lem“heißt der Film über die Band. Am 23.11. im Kino
 ?? ?? „Let the Canary sing“, die Doku über Cindy Lauper läuft am 7.11., „I am Noise“über das Leben der Songwriter-Ikone Joan Baez am 12.12. im Wiener Filmcasino
„Let the Canary sing“, die Doku über Cindy Lauper läuft am 7.11., „I am Noise“über das Leben der Songwriter-Ikone Joan Baez am 12.12. im Wiener Filmcasino
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria