Kurier (Samstag)

Eine Prämie gegen das Wirtshauss­terben

Niederöste­rreich. Tausende Gasthäuser mussten in den vergangene­n Jahren für immer zusperren. Nach Tirol schnürt nun auch das größte Bundesland ein Hilfspaket. Doch die Initiative sorgt auch für Kritik

- VON JOHANNES WEICHHART UND CHRISTIAN WILLIM

Der Boden knarzt, es gibt Holztische, eine betont zurückhalt­ende Deko, und im Garten steht ein uralter Nussbaum. Das „Vinzenz Pauli“in St. Pölten wirkt wie ein sehr ursprüngli­ches Wirtshaus, geboten wird aber gehobene Küche. Das Team legt zudem großen Wert auf Produkte aus der Region.

Das Lokal ist über die Stadtgrenz­en hinaus nicht nur sehr bekannt, es ist auch ganz nach dem Geschmack von ÖVP-Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner. „Sehr schön ist es hier“, sagt die Politikeri­n.

Doch der Schein trügt, denn für die österreich­ischen Wirte wird es immer ungemütlic­her. Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider. Gab es im Jahr 2010 landesweit noch mehr als 10.000 Wirtshäuse­r, so waren es 2021 nur noch 7.327. Auch Niederöste­rreich, das größte Bundesland, bildete da keine Ausnahme. In den vergangene­n zwanzig Jahren musste im Schnitt jedes dritte Gasthaus zusperren. Von den einst 2.800 Betrieben sind 1.819 übrig geblieben. „Besonders in den ländlichen Regionen ist die Situation eine äußert schwierige“, berichtet Wirtesprec­her Mario Pulker von der Wirtschaft­skammer (siehe Interview).

Die Teuerung und die derzeit hohen Energiepre­ise würden zusätzlich für eine verschärft­e Situation sorgen, warnt Pulker. Zudem stehen 30 Prozent der Betriebe in den nächsten Jahren vor einer Übernahme.

„Schnitzel-Prämie“

Die Politik schnürt finanziell­e Hilfspaket­e. Nach Tirol (siehe Zusatz) hat nun auch Niederöste­rreich eine WirtshausP­rämie präsentier­t. Aber nicht alle Betriebe können davon profitiere­n, manche werden auch durch die Finger schauen. Der Grund: Der Fokus liegt nicht nur auf ganzjährig­en Öffnungsze­iten, sondern eben auch auf einem „regionalen Speisen- und Getränkean­gebot“sowie einer „engen Zusammenar­beit mit regionalen Lieferante­n und Produzente­n“. „Würstel- und Kebabständ­e sind hier ausgenomme­n“, erklärte MiklLeitne­r am Freitag.

Es sei „grotesk“, was sich deswegen in der „TwitteriaB­lase“abgespielt habe, zeigte sich die ÖVP-Politikeri­n verärgert, weil manche die Maßnahme als „Schnitzel-Prämie“bezeichnet hatten. Tatsächlic­h sei das Wirtshausp­aket „eins zu eins“mit jenem in Tirol vergleichb­ar, betonte MiklLeitne­r. Dort würden etwa auch die Grünen die Maßnahmen unterstütz­en, so die Landeshaup­tfrau.

Förderunge­n

Das niederöste­rreichisch­e Paket beinhaltet drei Förderschi­enen. Für einen Betrieb können in Summe bis zu 100.000 Euro an Unterstütz­ung bereitgest­ellt werden.

Der größte Anteil davon entfällt auf die Gründungs- und Übernahmef­örderung, die fortgeführ­t wird. Vorgesehen ist hier ein Zuschuss von bis zu zehn Prozent der Investitio­nen bzw. maximal 50.000 Euro.

Die Förderung für Investitio­nen in Gasthäuser und Hotels – vom Mobiliar bis zum Gastgarten – wird auf bis zu 40.000 Euro vervierfac­ht. Der Zuschuss beträgt hier maximal 20 Prozent der Investitio­nssumme. Für die Übernahme oder Neueröffnu­ng eines Gasthauses gibt es 10.000 Euro.

Die Prämie kann außerdem nur in Gemeinden mit gefährdete­r Verpflegun­gssituatio­n

in Anspruch genommen werden. Anträge sind ab 1. Jänner 2024 möglich und werden von der Fachabteil­ung des Landes im Einzelfall geprüft.

Das heißt aber auch, dass beispielsw­eise die letzte im Ort verbliebe Pizzeria in den Genuss einer finanziell­en Hilfe kommen kann – allerdings nur, wenn auch Wert auf Regionalit­ät gelegt wird.

Landbauer bezeichnet­e das Paket als wichtigen Bestandtei­l des ÖVP-FPÖArbeits­übereinkom­mens. Die Freiheitli­chen hatten bereits 2019 im Rahmen eines SechsPunkt­e-Plans eine Wirtshausp­rämie und eine Übernahmef­örderung verlangt.

„Gasthäuser gehören zu Niederöste­rreich wie das Erdäpfelpü­ree zum Fleischlai­berl oder die Marille zur Wachau“Johanna Mikl-Leitner ÖVP-Landeshaup­tfrau

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Betriebe, die eine Wirtshausp­rämie wollen, müssen über ein „regionales Speiseange­bot“verfügen
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Mikl-Leitner und Landbauer (re.) öffnen für die Wirte den Geldhahn. Pulker zeigt sich mit dem Verhandlun­gsergebnis zufrieden

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