Kurier (Samstag)

Die Schattenmä­nner

Der Absprung von Karas könnte der ÖVP noch Kopfzerbre­chen bereiten. Vor allem, wenn er bei der Nationalra­tswahl wieder auftaucht

- VON MARTIN GEBHART martin.gebhart@kurier.at

Die Reaktionen der ÖVP auf den

Abgang ihres bekanntest­en EUPolitike­rs waren sehr, sehr zurückhalt­end. Die Kritik von Othmar Karas an seiner eigenen Partei wurde mit starrer Miene zur Kenntnis genommen. Im Gegenzug wünschte man ihm für die Zukunft alles Gute. Die möglichen Zusatzwort­e „abseits der Politik“kamen niemandem aus der Volksparte­i über die Lippen. Gedacht haben es sich einige sehr wohl.

Da geht es nicht um die Europawahl

2024. Die ÖVP weiß, dass sie bei diesem Urnengang keine Lorbeeren abholen kann

– weder mit noch ohne Karas. Der fehlende Sebastian-Kurz-Effekt, die allgemeine Stimmung gegen die Regierungs­parteien – da muss mit großen Verlusten gerechnet werden. Schlimmer wäre für die Türkisen, wenn Othmar Karas bei der Nationalra­tswahl als Kandidat auftauchen würde. Mit einer eigenen Liste oder auch als Teil einer anderen Gruppierun­g. Da geht es um jede Stimme, damit Kanzler Karl Nehammer am Ende des Wahltags den ersten Platz einnehmen kann. Ein Othmar Karas als Gegner würde aber sicherlich etliche bürgerlich­e Stimmen abziehen. Womöglich so viele, dass die ÖVP ihre ehrgeizige­n Ziele nicht erreichen kann. Jedenfalls hat der EU-Parlamenta­rier bei seiner persönlich­en Erklärung versichert, dass er politisch aktiv bleiben wird. Fragen nach einer Kandidatur bei der Nationalra­tswahl ist er so geschickt ausgewiche­n, dass so ziemlich alle Optionen als Antwort möglich erscheinen.

Er ist auch nicht der einzige Schattenma­nn, der als möglicher Rückkehrer die politische Gerüchtekü­che brodeln lässt. Da ist auch noch Ex-SPÖ-Kanzler Christian Kern, der zwar bei jeder Gelegenhei­t derartige Ambitionen dementiert, aber dennoch immer wieder genannt wird. Mittlerwei­le sogar für eine gemeinsame Liste mit Othmar Karas. Oder der ehemalige NeosAbgeor­dnete Sepp Schellhorn, der zuletzt auf verschiede­nste Weise dafür gesorgt hat, dass er im Gespräch bleibt. Sie alle bereiten ihren Parteien Sorgenfalt­en.

Und da ist noch Dominik Wlazny alias Marco Pogo, der mit seiner Bierpartei bei der Bundespräs­identenwah­l die große Überraschu­ng gewesen ist. Von ihm hat es bisher noch keine Andeutung gegeben, ob er im kommenden Jahr antreten will oder nicht. Dennoch wird er regelmäßig von Meinungsfo­rschungsin­stituten abgefragt. Mit dem Ergebnis, dass er vor allem der SPÖ so viele Stimmen wegnehmen würde, dass er mit der Bierpartei ins Parlament einziehen könnte.

Die Situation erinnert an das Wahljahr 2013, als die neu gegründete­n Neos und Frank Stronach die etablierte­n Parteien insgesamt über zehn Prozent der Stimmen gekostet haben. Wobei diesmal der Warteraum jener Wähler, die auf eine Alternativ­e abseits der fünf Parlaments­parteien hoffen, um einiges größer sein dürfte.

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