Ein Ex-Rapidler in der letzten Liga
Zum 60er. Andreas Reisinger ist Trainer in der achten Leistungsklasse. Er blickt auf eine bewegte Karriere zurück und erzählt, warum er nicht gerne Grabstein-Bilder tätowiert
Wir schreiben den 19. Juni 1990, Österreich schlägt die USA bei der WM in Italien mit 2:1, der bis heute letzte Sieg einer ÖFB-Auswahl bei einer Weltmeisterschaft. Vor knapp 35.000 Zuschauern in Florenz wurde der damals 26-jährige Andreas Reisinger zur zweiten Halbzeit eingewechselt.
Schauplatzwechsel: Gut 33 Jahre später, ein Dienstag im Herbst, Sportplatz im niederösterreichischen St. Andrä/Wördern. Seit fast einem Jahr trainiert Reisinger die Kampfmannschaft der knapp 10.000-Einwohner-Gemeinde im Bezirk Tulln. Den Abstieg in die zweite Klasse (achte Spielstufe) konnte er im Vorjahr nicht mehr verhindern. „Das erste Mal, dass ich als Trainer abgestiegen bin.“
Vor dem Training erinnert sich der seit heute 60Jährige an seine bewegte Karriere. „Die Weltmeisterschaft 1990 war sicher das Highlight“, sagt er. Da war zuerst das Spiel gegen Gastgeber Italien in Rom vor 75.000 Fans. „30.000 davon waren aus Österreich, das war phänomenal.“Das 0:1 sah er genauso von der Bank, wie den „Rückpass des Jahrhunderts“von Anton Pfeffer im zweiten Spiel gegen die Tschechoslowakei. „Das war Pech“, macht der damalige Rapid-Spieler dem Austrianer keinen Vorwurf. Der abschließende Sieg gegen die USA („eine richtige Schlacht“) reichte nicht zum Aufstieg, „wir haben trotzdem eine gute WM gespielt.“
Meister mit Salzburg
Vereinsmäßig erlebte der gelernte Karosseriebauspengler, der im Krankenhaus Wien Nord als Fahrer arbeitet, seinen Höhepunkt mit Austria Salzburg, er wurde in der Saison 1993/’94 Meister. „Rapid, Salzburg und der Wiener Sport-Club waren meine emotionalsten Stationen“, erzählt er.
Als Trainer schaffte er es nicht ganz nach oben. Lange war er bei den Rapid Amateuren („bis heute der längst dienende Regionalliga-Trainer“), später auch wieder beim Sport-Club. „Ich war vielleicht zu wenig engagiert, um höhere Sachen anzugehen“, sagt der Mann mit der UEFA-Pro-Lizenz. „Ich war zu nachlässig, habe es mir lieber gut gehen lassen.“
Nebenbei erlernte Reisinger auch die Kunst des Tätowierens. Er profitierte dabei von seiner Popularität unter den Fußballfans. „SportClub-Fans waren viele bei mir, die wollten Grabsteine oder Spielfelder mit den Kreuzen daneben, das wollte ich ihnen immer ausreden.“Ohne Erfolg, die Friedhofstribüne geht vielen unter die Haut. „Aber ich hab’ auch Rapid-Ultras gestochen.“
Nach seinem Engagement beim Sport-Club verließ ihn 2016 die Lust aufs
Trainerdasein – aber nur kurz. So landete er beim SV St. Andrä/Wördern. „Ich fühle mich sehr wohl hier, ein sehr familiäres Klima“, sagt er. Den Abstieg will er nicht auf sich sitzen lassen. Ziel ist es, vorne mitzuspielen. Seine Bitte: „Ein bisschen mehr Unterstützung von der Gemeinde wäre nicht schlecht.“
Keine Wehmut
Geld hat in seiner Karriere nie so eine große Rolle gespielt. „Für die WM haben wir damals rund 300.000 Schilling bekommen, glaube ich.“Kein Vergleich zu den heutigen Profis, Neid gibt es trotzdem keinen: „Das hat sich halt geändert.“
Vom WM-Kicker zum Trainer in der 2. Klasse – Reisinger blickt auf eine spannende Karriere zurück, „und ich würde alles genau so wieder machen“. Schade sei nur, dass es mit dem Transfer ins Ausland nicht geklappt hat. „Leverkusen war damals ziemlich knapp, aber es wollte halt nicht sein.“
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