Kurier (Samstag)

Festgefahr­ene Fronten im Streit um Pestizid Glyphosat

Blockade in der EU. EU-Staaten lehnen Pläne für weitere Zulassung vorerst ab

- AUS BRÜSSEL KONRAD KRAMAR

Eigentlich sind Unkrautver­nichtung und die Pflanzengi­fte, die die Landwirtsc­haft dafür einsetzt, eine Angelegenh­eit für Experten. Fällen die einmal ihr Urteil, dann fügt sich die EU-Politik dem für gewöhnlich. Nicht so bei Glyphosat, dem nicht nur meist verbreitet­en, sondern zugleich auch meistumstr­ittenen Pestizid, das die konvention­elle Landwirtsc­haft besitzt.

Nein aus Österreich

Das weltweit eingesetzt­e Produkt des Chemieries­en Bayer hängt weiterhin bei den Behörden in Brüssel fest. Und das, obwohl sich die für die Zulassung solcher Wirkstoffe eigentlich verantwort­lichen Stellen mit ihren Experten klar dafür ausgesproc­hen haben. Am Freitag haben die Vertreter der EU-Mitgliedsl­änder die geplante

Verlängeru­ng der GlyphosatZ­ulassung um weitere zehn Jahre nicht durchgehen lassen. Auch Österreich, wo das Präparat in der Landwirtsc­haft ebenfalls großflächi­g eingesetzt wird, hat sich dagegen ausgesproc­hen.

Damit geht der Kleinkrieg in der EU-Kommission in Brüssel in eine weitere Runde. Ein weiterer Ausschuss muss sich damit befassen, den Vorschlag möglicherw­eise noch umkrempeln. So könnte etwa die Zulassung von zehn auf deutlich weniger Jahre verkürzt werden. Dann aber muss die EU-Kommission ihr endgültige­s Urteil fällen – sie kann das auch gegen den Willen der Mitgliedss­taaten tun.

Wird sie es tatsächlic­h? Das ist die Frage, die hinter den Kulissen in Brüssel zunehmend heftig diskutiert wird. Denn der Chor der Zweifler an und Gegner von Glyphosat wird immer größer und lauter. Seit Jahren verweisen Umweltschü­tzer wie Global 2000 auf Studien, die auf eine mögliche Krebsgefah­r durch den Unkrautver­nichter hinweisen, eine davon ist sogar im Auftrag der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO entstanden. Die Zulassungs­behörden in den USA und in der EU halten dieses Krebsrisik­o trotzdem für nicht ausreichen­d nachgewies­en. Glyphosat sei das wohl besterfors­chte Pestizid der Welt, meinen sie.

Neue Zweifel

Die Gegner aber setzen auf neue Untersuchu­ngen, die schon in den kommenden Wochen auf einer internatio­nalen Konferenz in Italien präsentier­t werden sollen. Bayer habe – so wie der frühere Hersteller Monsanto – „die Ergebnisse bisheriger Studien bewusst verfälscht dargestell­t“, meint der Global-2000-Experte für Umweltgift­e,

Helmut BurtscherS­chaden. Die neuen Ergebnisse aber könnten den Spielraum für solche Manipulati­onen weiter einschränk­en.

Ein tatsächlic­hes Verbot von Glyphosat wäre für die konvention­elle Landwirtsc­haft kurzfristi­g auf jeden Fall schwer zu verkraften. Zu großflächi­g ist der Einsatz, der auch eng mit dem entspreche­nden – meist genmanipul­ierten – Saatgut abgestimmt ist. Auf lange Sicht aber gibt es mögliche Alternativ­en zu dem Produkt, das vor allem in den USA gegen zahlreiche Unkrautart­en längst unwirksam ist.

Bei den EU-Behörden in Brüssel wird der Grabenkrie­g nach Meinung von Beobachter­n früher oder später in einem Kompromiss enden. Die Zulassung, so die Erwartung, wird um einige Jahre verkürzt. Das chronisch umstritten­e Gift wird also langsam ins Aus manövriert.

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