Kurier (Samstag)

So durchschau­en Sie Chef und Kollegen

Profiling. Menschen lesen und ihre wahren Absichten erkennen können, macht sich bezahlt – nicht nur im Job. Doch zum routiniert­en Menschenle­ser wird nur, wer diese drei Schritte beachtet

- VON JENNIFER CORAZZA Kriminal- und Geheimdien­stanalyst Mark T. Hofmann

Sie sitzen einander gegenüber. Arbeitgebe­r und Bewerber. Beide erzählen von sich, eruieren, ob es sich hier um eine gute Partie handeln könnte. „Wie teamfähig sind Sie?“, fragt der eine. „Wie flexibel sind Sie?“, fragt der andere. Doch keine Antwort wird sie zufriedens­tellen – oder aussagekrä­ftig genug sein –, um das Gegenüber auch wirklich lesen zu können, weiß Mark T. Hofmann.

Hofmann ist studierter Organisati­onspsychol­oge, den es auf die „dunkle Seite der Psychologi­e“gezogen hat, erzählt er beim HR Inside Summit diesen Mittwoch in der Hofburg. Manche würden Profiler zu ihm sagen, tatsächlic­h aber ist Hofmann Kriminalan­alyst und kennt die Methoden von FBI und CIA, um Verbrecher zu durchschau­en. Neu ist, dass sich diese Methoden auch im Alltag und besonders im Beruf einsetzen lassen. Und zwar ohne, dass jemand zu Schaden kommt.

Daten sammeln

„Die Qualität der Menschenke­nntnis hängt von der Qualität der Informatio­n ab“, sagt Hofmann. Was er damit meint? Um einen Menschen wirklich zu lesen, braucht es Daten und die gilt es zu sammeln. Keine wertvolle Informatio­n ist zum Beispiel ein Bewerbungs­foto: „Jede Person, die glaubt, mit einem Foto ein Profil erstellen zu können, lügt“, sagt Hofmann. Ein dreiminüti­ges Gespräch kann wiederum sehr aufschluss­reich sein. Sofern man weiß, worauf man achten muss, ergänzt der Verhaltens­experte. „Menschen verraten eine ganze Menge, ohne dass sie es ausspreche­n.“

Lügen erkennen

Wer qualitativ Daten sammeln will, muss Täuschunge­n enttarnen können. In anderen Worten: erkennen, wenn jemand lügt. Oft glaubt man, dass Nervosität ein Anzeichen sei. Jedoch „gibt es eine Million Gründe, warum eine Person nervös wird“, sagt Hofmann. Im Zweifel würde er sogar raten, auf die Nervösen zu setzen. „Ist jemand nicht nervös, ist es der Person vielleicht gleichgült­ig. Oder sie macht das öfter. Sowohl im Liebeslebe­n als auch bei Bewerbunge­n wäre das ein schlechtes Omen.“Viel aussagekrä­ftiger ist deshalb die Mimik. „Die verrät in vielen Fällen, wenn etwas nicht passt.“Dabei gilt es , einen spezifisch­en Moment abzuwarten, der die wahren Gefühle verrät. Zu finden ist dieser nicht, während eine Person spricht, sondern immer in den zwei Sekunden danach, erklärt Hofmann und gibt mit Bill Clinton ein prominente­s Beispiel. Selbstbewu­sst blickt er in die Kamera, als er versichert, keine Affäre mit Monica Lewinsky gehabt zu haben. Doch kaum ist er fertig, presst er die Lippen aufeinande­r, schaut zu Boden und zeigt: Wohl fühlt er sich mit dieser Aussage nicht. Im Job gilt daher: Stellt man eine Frage, sollte man sich am Ende der Antwort gedanklich nicht schon der nächsten zuwenden oder in die

Notizen schauen. „Sie verpassen sonst das Interessan­teste.“

Motive verstehen

Noch mehr als die Lügen eines Menschen verraten seine Motive, also die Absichten, die jemand hat, sagt Hofmann und gibt auch hier ein plakatives Beispiel. Trägt jemand eine teure Markenuhr am Handgelenk, gibt es rund 17 Motive dafür, hat er gezählt. „Aber keines davon ist, weil die Person die Uhrzeit wissen will“.

Das wahre Motiv findet sich im Kontext. Ist das Sakko so abgesteckt, dass es selbst beim hängenden Arm das Schmuckstü­ck offenbart? Bevorzugt der Träger die Ich-Variante und überbietet seine Geschichte immer die des anderen? Dann könnte es sich um einen eitlen Gockel handeln, der nur seinen Status demonstrie­ren will. Spießt sich die Uhr aber mit dem Gesamtkonz­ept, ist sie Gold, der restliche Schmuck Silber und das gesamte Wesen tendenziel­l zurückhalt­end, könnte es sich um ein Erbstück handeln. Und der sentimenta­le Wert wichtiger sein als der tatsächlic­he. Lesen und einordnen lässt sich ein Mensch also immer nur dann, wenn man mit „Ohren, Augen, Herz und ungeteilte­r Aufmerksam­keit auf Details achtet.“

erhalten die Gewinner des „Junior Principal Investigat­or“-Awards. Das Preisgeld für den „Young Scientist“Award liegt bei 7.500 Euro

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