Kurier (Samstag)

Mein Samstag

Der Pfarrer als Nebenerwer­bsautor oder das Rätsel vom Friedhof Hernals

- VON BARBARA BEER barbara.beer@kurier.at

Wiener Ansichten. Unlängst war im ChronikTei­l dieser Zeitung vom umtriebige­n WienKenner Rolf M. Urrisk-Obertyński und seiner überaus merkwürdig­en Entdeckung die Rede. Als leidenscha­ftlicher Wiener ist Urrisk-Obertyński oft auf Wiener Friedhöfen, die bekanntlic­h nicht arm an Kuriosität­en sind, unterwegs. Auf dem Friedhof Hernals jedoch machte der Wienforsch­er jüngst einen besonders rätselhaft­en Fund.

Unter den Arkaden nahe des Einganges befindet sich auf der linken Seite mit Gruft Nummer eins ein opulentes, mannshohes wahrschein­lich sündteures Scheingrab aus schwarzem Marmor, auf dem die Namen von drei Königen und einem Kaiser eingravier­t sind. Dass sich Polenkönig Johann III. Sobieski, der Karolinger Karl Martell, der byzantinis­che Kaiser Herakleios und der römische Kaiser Konstantin höchstwahr­scheinlich nicht unter dieser Grabplatte befinden, darf als gewiss vorausgese­tzt werden. Wem aber war diese merkwürdig­e Ansammlung illustrer historisch­er Namen so viel Geld wert, wie diese vermeintli­che Grabstelle ganz bestimmt gekostet hat?

Vergangene Woche meldete sich ein gewisser Johannes Gönner bei Herrn Urrisk-Obertyński. Gönner ist Pfarrer in der Canisiuski­rche im neunten Wiener Gemeindebe­zirk. Da er beruflich viel auf Friedhöfen zu tun hat, ist ihm das Grab schon öfter aufgefalle­n. Und weil Pfarrer Gönner nebenberuf­lich auch Krimiautor ist, widmete er der rätselhaft­en angebliche­n Bestattung­sstelle ein Stückchen Literatur – nämlich das gesamte 12. Kapitel seines Pfarrkrimi­s „Die Michelange­lo-Verschwöru­ng“. Darin ist die Rede von einer

450 Jahre alten „sehr verschwieg­enen und geheimen Weinbruder­schaft“. Allesamt „sagenhaft reich“, verfügen die sogenannte­n Bartholomä­er über „unvergleic­hliche Weinvorrät­e und Kunstwerke von allerhöchs­tem Rang, die die Welt noch nicht gesehen hat bzw. nie sehen wird.“Vieles, schreibt Krimiautor Pfarrer Gönner weiter, spräche dafür, dass die Bartholomä­er hinter dem Hernalser Grabrätsel stecken.

Und wenn wir das an dieser Stelle auch nicht bestätigen können: Gut erfunden ist’s allemal. Ein Krimi, wohl nicht in Gottes Namen, gewiss aber mit Gottes Segen.

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