Mein Samstag
Der Pfarrer als Nebenerwerbsautor oder das Rätsel vom Friedhof Hernals
Wiener Ansichten. Unlängst war im ChronikTeil dieser Zeitung vom umtriebigen WienKenner Rolf M. Urrisk-Obertyński und seiner überaus merkwürdigen Entdeckung die Rede. Als leidenschaftlicher Wiener ist Urrisk-Obertyński oft auf Wiener Friedhöfen, die bekanntlich nicht arm an Kuriositäten sind, unterwegs. Auf dem Friedhof Hernals jedoch machte der Wienforscher jüngst einen besonders rätselhaften Fund.
Unter den Arkaden nahe des Einganges befindet sich auf der linken Seite mit Gruft Nummer eins ein opulentes, mannshohes wahrscheinlich sündteures Scheingrab aus schwarzem Marmor, auf dem die Namen von drei Königen und einem Kaiser eingraviert sind. Dass sich Polenkönig Johann III. Sobieski, der Karolinger Karl Martell, der byzantinische Kaiser Herakleios und der römische Kaiser Konstantin höchstwahrscheinlich nicht unter dieser Grabplatte befinden, darf als gewiss vorausgesetzt werden. Wem aber war diese merkwürdige Ansammlung illustrer historischer Namen so viel Geld wert, wie diese vermeintliche Grabstelle ganz bestimmt gekostet hat?
Vergangene Woche meldete sich ein gewisser Johannes Gönner bei Herrn Urrisk-Obertyński. Gönner ist Pfarrer in der Canisiuskirche im neunten Wiener Gemeindebezirk. Da er beruflich viel auf Friedhöfen zu tun hat, ist ihm das Grab schon öfter aufgefallen. Und weil Pfarrer Gönner nebenberuflich auch Krimiautor ist, widmete er der rätselhaften angeblichen Bestattungsstelle ein Stückchen Literatur – nämlich das gesamte 12. Kapitel seines Pfarrkrimis „Die Michelangelo-Verschwörung“. Darin ist die Rede von einer
450 Jahre alten „sehr verschwiegenen und geheimen Weinbruderschaft“. Allesamt „sagenhaft reich“, verfügen die sogenannten Bartholomäer über „unvergleichliche Weinvorräte und Kunstwerke von allerhöchstem Rang, die die Welt noch nicht gesehen hat bzw. nie sehen wird.“Vieles, schreibt Krimiautor Pfarrer Gönner weiter, spräche dafür, dass die Bartholomäer hinter dem Hernalser Grabrätsel stecken.
Und wenn wir das an dieser Stelle auch nicht bestätigen können: Gut erfunden ist’s allemal. Ein Krimi, wohl nicht in Gottes Namen, gewiss aber mit Gottes Segen.