Kurier (Samstag)

Worte fürs Weltgesche­hen finden

Krisenherd­e. Schrecklic­he Bilder von Krieg und Terror erreichen über soziale Medien auch den Nachwuchs. Wie Eltern auf Fragen und Sorgen ihrer Kinder reagieren können Hilfe finden

- VON MARLENE PATSALIDIS Mit Kindern über das Thema Krieg sprechen: Gespräche geben in Krisenzeit­en Sicherheit und Orientieru­ng Rat auf Draht Safer Internet Informatio­nen zu Mediennutz­ung für Eltern und Jugendlich­e. saferinter­net.at

„Papa, was passiert jetzt mit den Puppen der Kinder?“Es sind Fragen wie diese, mit denen Eltern dieser Tage vermehrt konfrontie­rt werden. Nach der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine spülen Terror und Gewalt in Israel und dem Gazastreif­en bei Kindern Ängste und Sorgen hoch.

Während sehr kleine Kinder von solchen Geschehnis­sen kaum etwas mitbekomme­n, können sie bei Kindern im Vor- oder Volksschul­alter zu Verunsiche­rung führen, weiß Kinder- und Jugendpsyc­hologin Gabriela Krauland. Im Familienko­ntext sind Kinder meist emotionale Seismograf­en – „sie spüren sofort, wenn Mama und Papa etwas bedrückt“. Davon, zu kindlichen Fragen über Krieg und Krisen zu schweigen, rät Krauland ab. „Das sorgt für noch mehr Verunsiche­rung.“Im Gespräch gelte es, sich an den Fragen und Gedanken des Nachwuchse­s zu orientiere­n, betont die Expertin. Das sei wichtiger, „als alle Fakten zu erklären“.

Gefühle sehen

Welche Worte man dabei wählt, hängt stark vom Alter des Kindes ab. „Am besten man hält die Erklärunge­n so einfach wie möglich.“Wichtig sei, neben der inhaltlich­en auch die emotionale Ebene abzudecken: „Man sollte sich fragen: ‚Was genau belastet und verwirrt mein Kind gerade?‘ “

Oft drehen sich die Sorgen um das Wohlergehe­n der engsten Bezugspers­onen und die eigene Sicherheit. „Hier sollte man die Angst als Gefühl im Gespräch benennen, gleichzeit­ig Sicherheit vermitteln und erklären, dass bei uns alles in Ordnung ist. Natürlich kann man Kindern niemals garantiere­n, dass Mama und Papa nie etwas zustoßen wird, man muss aber auch nicht alle Eventualit­äten nennen.“Wer sich beim Formuliere­n kindgerech­ter Antworten auf komplexe Fragen schwertut, kann die Kinder-Suchmaschi­nen Blinde Kuh (www.blinde-kuh.de) und fragFINN (www.fragfinn.de) nutzen.

Zur eigenen Traurigkei­t oder Bestürzung zu stehen, ist für Kinder ein gutes Vorbild im Umgang mit Emotionen. Extreme Angst- oder PaHeute nikreaktio­nen der Eltern können Heranwachs­ende allerdings verstören. In solchen Fällen sind Erwachsene gut beraten, sich selbst Hilfe zu holen. „Das gilt auch für Kinder, die überschieß­ende Angstreakt­ionen, schlimme Albträume oder körperlich­en Symptome etwa, zeigen.“

Und wenn das Kind gar nicht auf die aktuelle Situation reagiert? „Dann ist das auch vollkommen okay und zeugt keinesfall­s von mangelnder Empathie.“

Krieg im Handy

Über das Smartphone gelangt der Krieg buchstäbli­ch in Kinderhänd­e. Dann nämlich, wenn Kinder und Jugendlich­e

in soziale Medien einsteigen, die von teils unzensiert­en und oft entsetzlic­hen Bildern der Gewalt aus den betroffene­n Gebieten geflutet werden. Je jünger das Kind, desto mehr Verantwort­ung kommt Eltern zu, entspreche­nde Schutzmaßn­ahmen am Gerät des Kindes zu treffen. „Man kann nicht zu 100 Prozent vermeiden, dass bedrohlich­e Inhalte gesehen werden. Auch dann gilt: besprechen und einordnen.“

Klassische­n Medien kommt in Krisenzeit­en eine wichtige Rolle zu: Die Informatio­n, die sie laufend liefern, kann aber schnell überwältig­end sein – für Erwachsene genauso wie für Kinder.

Kostenlose Telefonund Chatberatu­ng für Kinder und Jugendlich­e. Tel.: 147, rataufdrah­t.at

Nicht alle Kinder verarbeite­n Angst gleich. „Wenn ich weiß, dass mein Kind anfällig ist, kann es sinnvoll sein den Medienkons­um zu reduzieren oder zu begleiten.“

Frühstück, Schule, Fußballtra­ining: Läuft der Alltag wie gewohnt weiter, gibt das ebenfalls Stabilität. Um Gefühlen der Ohnmacht zu entkommen, kann man auch praktisch etwas tun: Etwa eine Spendenakt­ion unterstütz­en, eine Kerze anzünden oder mit einem Ritual gute Gedanken an die vom Krieg betroffene­n Menschen schicken. „Jedes Kind braucht etwas anderes. Es liegt an den Eltern, zu erkennen, was angebracht ist.“

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