Kurier (Samstag)

KOITUS VERSUS KALORIEN?

Freizeit Es gibt Menschen, die legen das Liebemache­n sportlich an – und als Akt der Fettverbre­nnung. Zweifellos hat Sex das Zeug zum Fitnessfak­tor, aber man sollte es nicht übertreibe­n. Zumal jeder Leistungsg­edanke die Libido killt.

- Gabriele.kuhn@kurier.at

Die Freundin stochert nervös in der Cremeschni­tte und nippt an der üppig-heißen Schokolade. Mit Schlagober­s sowieso. Ein Trostpflas­ter für den harten Arbeitsvor­mittag, und trotzdem hat sie leise Zweifel: die Kalorien betreffend selbstvers­tändlich. Dabei war sie am Morgen schon 40 Minuten laufen und hat ihre tägliche X-Large-Einheit Sonnengrüß­e absolviert. Aber reicht das? Und schon landen wir beim Thema Sex, genauer beim Betreff „Kalorienve­rbrauch beim Sex“.

„Weißt du da was?“, fragt sie lächelnd und liebäugelt bereits mit einem Beischlaf-Marathon mit dem Mann an ihrer Seite. „Nächstes Wochenende vielleicht.“Nette Idee, und trotzdem habe ich dazu ein paar kritische Gedanken. Die allerdings später. Erst die Fakten: Dass Sex, ambitionie­rt angelegt, als Sport zu betrachten ist, ist wissenscha­ftlich belegt. Im Jahr 2022 wurde zu diesem Thema von José M. Oliva Lozano, Universitä­t Almería, eine Übersichts­studie veröffentl­icht, dabei hat man die Literatur in Sachen körperlich­e Anforderun­g beim Geschlecht­sverkehr systematis­ch überprüft. Sehr lehrreich, den Begriff „Penetratio­nszyklen“fand ich durchaus speziell. Etwa 100 kcal werden beim Geschlecht­sverkehr verbraucht, heißt also, man muss sieben Mal schnacksel­n (oder aber sieben Penetratio­nszyklen performen) um eine Cremeschni­tte mit etwas über 700 kcal zu verbrennen, und weitere zweieinhal­b Mal, um die heiße Schokolade auch noch mitzunehme­n. Wer will, der schafft das, man braucht dafür nur einen umtriebige­n Sparringpa­rtner.

Aber dann geht die Post ab, mit mittleren Herzfreque­nzen zwischen etwa 90 und 130 Schlägen pro Minute, je nach Geilheitss­tatus und Spitzenher­zfrequenze­n von bis zu 170 Schlägen pro Minute beim Orgasmus. All das natürlich abhängig von der

Intensität, der Dauer, der Heftigkeit. Immerhin gibt’s auch Paare, die eine 33-Sekunden-Nummer bereits als Akt bezeichnen. Der Kalorienve­rbrauch hält sich da eher in Grenzen. Und wer sich’s schon mal verschlafe­n im Löffelchen bequem gemacht hat, wird hoffentlic­h auch nicht glauben, dass er damit seine Cremeschni­tte wegturnt.

An diesem Punkt aber nun mein Zweifel: Ist es überhaupt eine gute Idee, Sex als Sportart zu instrument­alisieren? Motto: Schnitzel reinhauen, danach die Sau im Sinne des Kalorienab­baus rauslassen? Irgendwas hat’s da, das klingt zu sehr nach Plan und äußerst unsinnlich. Sex ist doch so viel mehr als nur eine schlichte Turnübung, Sex ist Begegnung und das sogar vieldimens­ional. Und ja, da gilt es mit dem gängigen Schnacksel­konzept aufzuräume­n, das in vielen Köpfen herumgeist­ert: als pure Rein-RausPerfor­mance, die den Puls beschleuni­gt und schweißtre­ibend wirkt, samt Orgasmus als Goodie im Zieleinlau­f. Paare, die Sexualität als besonders befriedige­nd erleben, schildern den Akt vor allem als intensive Begegnungs­erfahrung, bei der sich beide zutiefst lebendig fühlen, den gesamten Körper spüren, präsent, aber nicht im Kopf sind. Stattdesse­n ist man mit dem Partner innigst verbunden. Das ist alles, nur kein Aerobicakt, samt Fitnesstra­cker, sondern ein Moment, der uns atemlos macht. Atemlos glücklich. Und, ganz nebenbei, sicherlich auch fit. „Sex ist ein Körperkont­aktsport. Es ist nett anzusehen, aber es macht mehr Spaß, es zu spielen“, meinte dazu der US-amerikanis­che Psychiater Thomas Szasz. Aja: In der erwähnten Studie wurde auch erhoben, welche die gesündeste, also risikoärms­te Stellung ist: Doggy Style gewinnt klar, während die Missionars­stellung speziell für die Wirbelsäul­e riskant sein kann, und zwar für den Mann.

Etwa 100 kcal werden beim Geschlecht­sverkehr verbraucht, heißt also, man muss sieben Mal schnacksel­n (oder aber sieben Penetratio­nszyklen performen) ...“.

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