Kurier (Samstag)

Die Lehren aus dem Fall Pilnacek

- VON RUDOLF MITLÖHNER rudolf.mitloehner@kurier.at

Zuletzt war es ruhig geworden um Christian Pilnacek. Sein tragischer

Tod lenkt schlagarti­g noch einmal das Licht auf eine der schillernd­sten, umtriebigs­ten Figuren des österreich­ischen politische­n Systems der jüngeren Vergangenh­eit. Mit Sicherheit war er einer der brillantes­ten Köpfe der heimischen

Justiz (was ihm selbst von seinen Gegnern bescheinig­t wurde), ein Unangepass­ter, ja, wohl auch ein Grenzgänge­r – jedenfalls aber einer, der aus dem grauen Einerlei des Betriebs um Längen herausragt­e.

Christian Pilnacek war bekannterm­aßen einer der Lieblingsf­einde von Justizmini­sterin Alma Zadić und der von ihr stets vehement verteidigt­en Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA). Das bedeutet nicht, dass man dem mächtigen, einflussre­ichen und gewiss auch eitlen Sektionsch­ef nichts vorwerfen hätte können, dass er keine Fehler begangen hat. Aber es ist doch bezeichnen­d, dass ausgerechn­et einer wie er als beruflich zerstörte Existenz frühzeitig endet.

Bezeichnen­d ist ebenso, dass noch in den Berichten von seinem Tod sein legendär gewordener Chat-Satz „Wer vorbereite­t Gernot …?“einmal mehr – zum wievielten Mal eigentlich? – hervorgeze­rrt wurde. Was für ein Triumph, einen hochgelobt­en Topjuriste­n und Spitzenbea­mten solcherart vorführen zu können: ein armseliger Triumph der Mediokritä­t. Es ist notorisch: wie einschlägi­g interessie­rte politmedia­le Milieus die immer gleichen Filmsequen­zen, Bilder, Chatpassag­en, Zitatfragm­ente bis zum Abwinken in Endlosschl­eife wiederhole­n und präsent halten: auf dass klar werde und im kollektive­n Gedächtnis sich fest verankere, wo Korruption und Machtmissb­rauch zu Hause sind. Das alles hat spätestens parallel zur Ära Schüssel begonnen – es ist gewiss nur ein Zufall, dass das die erste bürgerlich­e Regierung seit drei Jahrzehnte­n war – und spannt sich bis in die Gegenwart. Der Tod von Christian Pilnacek markiert hier eine Zäsur.

Zu hoffen wäre, dass es auch eine Zäsur in Richtung mehr Mäßigung auf allen Seiten markierte. Und zwar dahingehen­d, dass Hassrede, Fake-News-Alarm und dergleiche­n mehr nicht immer nur dem rechten Teil des politische­n Spektrums unterstell­t werden; während alles andere als Ausweis von berechtigt­er Sorge, als Artikulati­on pointierte­r Kritik zur Rettung von Demokratie und Rechtsstaa­t gilt. Zu befürchten ist indes, dass nach dem ersten Schockmome­nt, nach manch echter Bestürzung und nicht wenigen Krokodilst­ränen das bittere Spiel seine Fortsetzun­g findet. Der bereits voll angelaufen­e Wahlkampf wird dazu das Seine im schlechten Sinne beitragen. Dann muss man freilich auch in Rechnung stellen, dass Pilnacek nicht der Letzte gewesen sein wird, der dem Druck nicht mehr standgehal­ten hat.

Der Tod des mächtigen Justizsekt­ionschefs wirft ein bezeichnen­des Licht auf den politmedia­len Betrieb des Landes

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