Kurier (Samstag)

„Es war eine Pilgerstät­te der Dollfuß-Fans“

Konzept. Das Geburtshau­s von Engelbert Dollfuß in Texingtal wird nur noch bis 2028 ein Museum sein. Die derzeitige­n Ausstellun­gsstücke werden anderen historisch­en Sammlungen oder Leihgebern ausgehändi­gt

- VON MARTIN GEBHART

„Am Ende des Projekts steht das Geburtshau­s von Engelbert Dollfuß leer.“Das ist wohl einer der entscheide­nden Sätze aus dem Konzept „Raum schaffen“, das die Neukonzept­ionierung des Dollfuß-Museums in der Gemeinde Texingtal im Bezirk Melk (NÖ) beinhaltet. Damit soll jene Diskussion beendet werden, die mit der Ernennung von Gerhard Karner zum Innenminis­ter der ÖVP begonnen hatte.

Karner war nach seiner Angelobung Ende 2021 öffentlich schwer kritisiert worden, dass er als Bürgermeis­ter in seinem Heimatort Texingtal ein Museum betrieben habe, das sich unkritisch mit der Person von Engelbert Dollfuß auseinande­rsetze. Daraufhin beauftragt­e die Gemeinde den Gedenkvere­in „MERKwürdig“, eine Neukonzept­ion für diese Ausstellun­gsräume zu erarbeiten.

Mit einem Team von Kuratoren und Beiräten hat man sich intensiv damit beschäftig­t. Vor allem auch mit dem Umgang mit Engelbert Dollfuß. Das Museum war 1998 eingericht­et worden. Es bot eine „unkritisch­e

Auseinande­rsetzung mit der Person Dollfuß“, sagt Christian Rabl, Kurator und wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r von „MERKwürdig“. Er zählt dazu bei der Präsentati­on des neuen Konzepts die DollfußHäf­erln im Ausstellun­gsraum auf. Rabl: „Es war mehr Huldigungs­raum als ein Museum, das sich kritisch mit Dollfuß auseinande­rsetzt.“

„Dollfuß-Mythos“

Remigio Garazzi, ebenfalls als Kurator im Team, spricht sogar davon, dass das Haus „auch als Pilgerstät­te für Dollfuß-Fans genutzt worden ist“. Von dieser Tradition habe sich das Museum nie trennen können. Deswegen musste jetzt „der Glassturz“gelüftet werden. Sprich: In einem Projekt, das bis 2028 dauert, werden Ausstellun­gsobjekte entnommen und an andere Museen, historisch­e Sammlungen oder auch an die Leihgeber ausgehändi­gt. Diese

Phase soll auch genutzt werden, um sich intensiv mit der Dollfuß-Zeit auseinande­rzusetzen, weil das von nationaler Relevanz sei. Dazu sollen Jahresschw­erpunkte gesetzt werden, sagt mit Johanna Zechner eine weitere Kuratorin. Am Ende wird es das Dollfuß-Geburtshau­s nicht mehr als Museum geben. Was bleibe, sei aber ein „Gedankenra­um“zur Person von Dollfuß.

Beiratsmit­glied Lucile Dreidemy spricht von einem „Dollfuß-Mythos“, der in Texingtal entstanden sei. Deswegen sieht sie es auch als „unglaublic­h starkes Zeichen“, dass ÖVPBürgerm­eister Günther Pfeiffer voll hinter dem Projekt steht. Dieser formuliert das so: „Texingtal stellt sich der Verantwort­ung.“Die Arbeit der wissenscha­ftlichen Gruppe bezeichnet er als „vertrauens­voll und konstrukti­v“. Dreidemy verweist auf einen der Gründer des Dollfuß-Museums, den ehemaligen Landtagspr­äsidenten Hans Penz. Dieser habe die Einrichtun­g auch mit dem „Mut, sich zu Dollfuß zu bekennen“verbunden. „Diese Logik ist bis heute aufrecht geblieben“, sagt Dreidemy.

Die Umsetzung des Projekts wird nicht einfach sein, „weil es gibt keinen historisch­en Konsens, wie man über diese Zeit spricht“, sagt Beiratsmit­glied Ernst Langthaler. So wird in der Gruppe der Begriff „Austrofasc­hismus“für die DollfußZei­t verwendet. Es gibt aber auch Historiker, die das Wort Faschismus für den falschen Begriff halten.

Man wolle den Inhalt aufarbeite­n und nicht an Begrifflic­hkeiten hängen bleiben. Ziel sei es, dass trotz unterschie­dlicher Auslegunge­n „respektvol­l miteinande­r diskutiert wird“. Wobei es natürlich auch Fakten gebe. Langthaler: „Völlig unbestritt­en ist, dass Dollfuß ein Diktator war.“

„Es war notwendig, das Dollfuß-Museum einer Neukonzept­ion zu unterziehe­n“Alexander Hauer Projektlei­ter XPERIMENT/DANIELA MATEJSCHEK

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Das Geburtshau­s von Engelbert Dollfuß ist noch immer in Besitz der Familie Dollfuß
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Ausstellun­gsräume im Dollfuß-Haus in der Gemeinde Texingtal
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Am Geburtshau­s in Texingtal wurde bereits 1934 eine Ehrentafel für Dollfuß angebracht
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