Beziehung zwischen Kanada und Indien zerrüttet
Streit um mutmaßlichen indischen Auftragsmord in Kanada: 41 Diplomaten ausgeflogen
Delhi/Ottawa. Das Abendgebet war gerade vorüber, als Hardeep Singh Nijjar, Leiter des örtlichen Sikh-Tempels im kanadischen Surrey, das Gebäude verließ. Er setzte sich in seinen Geländewagen, legte einen Rucksack auf dem Beifahrersitz ab – und wurde von zwei maskierten Männern überrascht. 34 Kugeln feuerten die beiden in seine Brust, bevor sie in einem gestohlenen Wagen flohen.
Nijjar war kein einfaches Mitglied der Sikh-Gemeinde. Der 45-Jährige war bis zu seinem Tod Ende Juni ein bekannter Separatist, ein Mitglied der Khalistan-Bewegung, deren Ziel ein eigener Sikh- Staat auf indischem Territorium ist. Im hinduistisch nationalistisch regierten Indien galt er deshalb als Terrorist. 1997 floh er nach Kanada, 2007 erhielt er die Staatsbürgerschaft.
Ordnete Modi Mord an?
Der Mord an Nijjar ist längst zum Politikum geworden, das die Beziehungen zwischen Kanada und Indien bis heute schwer belastet.
Kanadas Premier Justin Trudeau machte unmittelbar nach der Tat öffentlich, dass insgesamt sechs indische Staatsbürger zuvor eingeflogen und rund eine Stunde vor dem Tempel in Surrey auf der Lauer gelegen seien. Der kanadische Geheimdienst CSIS habe außerdem bereits ein Jahr lang von einer geplanten Ermordung Nijjars erfahren, der Sikh habe sich deshalb „ein bis zweimal pro Woche“mit Beamten getroffen. Beim G20-Gipfel in Neu-Delhi sollen Trudeau und Indiens Premier Narendra Modi deshalb im September aneinandergeraten sein.
In der Nacht auf Freitag ging der Streit erneut weiter: Kanadas Außenministerin Melanie Joly gab bekannt, dass sie 41 Diplomaten aus Indien abgezogen habe. Die indische Regierung habe gedroht, ihnen die Immunität zu entziehen. Ähnliche Drohungen werde es von kanadischer Seite nicht geben: „Wenn wir zulassen, dass das zur Norm wird, wären keine Diplomaten auf dem Planeten sicher.“