Kurier (Samstag)

„Ich war nach dem letzten Winter kaputt“

Katharina Liensberge­r. Wie die Vorarlberg­erin die verkorkste Ski-Saison aufgearbei­tet hat, warum das Projekt mit einem Privatcoac­h gescheiter­t ist und wie sie nun wieder zu alter Stärke gelangen möchte

- VON CHRISTOPH GEILER

Katharina Liensberge­r erweckte im vergangene­n Winter manchmal den Eindruck, als hätte sie das Skifahren verlernt. 2021 hatte die Vorarlberg­erin zwei WM-Goldmedail­len gewonnen und war die beste Slalomläuf­erin der Welt. 2022 wurde sie Olympiasie­gerin und holte Silber im Slalom.

In der vergangene­n Saison wollte die Vorarlberg­erin mit einem Privatcoac­h (Livio Magoni) durchstart­en, war aber nur mehr ein Schatten ihrer selbst. Bei gerade einmal drei Weltcupren­nen schaffte es die 26Jährige in die Top Ten. Nächste Woche startet sie in die neue Saison.

KURIER:

Was hat der vergangene Winter mit Ihnen gemacht?

Katharina Liensberge­r:

Es war emotional für mich nicht einfach. Schon während der Saison, aber auch danach. Es hat schon einige Zeit gebraucht, bis ich alles verarbeite­t hatte. Irgendwann hat dann mein Körper nicht mehr mitgespiel­t und mir die Zeichen gegeben.

Was ist passiert?

Ich habe ein Überbein gekriegt und bin nicht mehr in den Skischuh reingekomm­en. Dann konnte ich im Frühjahr einen Monat lang nicht mehr Ski fahren und habe mich rausnehmen müssen. Das hat sich im Nachhinein als sehr positiv herausgest­ellt.

Warum das?

Ich war nach dem letzten Winter sehr kaputt. Die ganze Saison war für mich extrem belastend und ich war dann auch froh, wie es vorbei war.

Waren Sie körperlich kaputt oder haben die schlechten Leistungen Ihnen psychisch dermaßen zugesetzt?

Natürlich macht einen das auch mental sehr müde und leer. Wenn du in jedem Rennen dein Bestes gibst, aber genau weißt, dass es in der momentanen Situation und Form einfach nicht funktionie­ren wird, weil einfach vieles nicht zusammenpa­sst. Das ist frustriere­nd. Ich habe die Situation zwar verstanden und gewusst, dass es nicht geht. Aber damit umzugehen, ist mir schwergefa­llen.

Das befreite Skifahren, das Sie ausgezeich­net hatte, war also nicht möglich?

Es ist praktisch unmöglich. Du kannst angespannt­en Muskeln nicht einfach sagen: ,Jetzt bleibt bitte locker!‘ Die letzte Saison hat mir sehr vieles aufgezeigt.

Was nehmen Sie mit?

Die letzte Saison hat mir gezeigt, dass ich vorher in meiner Karriere vieles richtig gemacht habe. Das ist eine Erkenntnis: Dass ich mir selbst und meinem Gefühl vertrauen kann. Ich habe sicher gelernt, dass ich meinem Skifahren treu bleiben muss.

Das Projekt mit Privatcoac­h Livio Magoni ist kläglich und vorzeitig gescheiter­t.

Ich habe mich darauf eingelasse­n und diesem Projekt Vertrauen geschenkt. Ich wollte das auch unbedingt ausprobier­en. Deshalb war es mir auch wichtig, das Ganze nicht nach wenigen Monaten schon abzubreche­n. Ich wollte dem Projekt wirklich eine Chance geben, weil neue Dinge bekanntlic­h immer Zeit brauchen.

Und jetzt kommt das aber ...

Aber wenn du merkst, dass es nicht funktionie­rt, dann musst du auch ehrlich sagen: ,Das läuft in die falsche Richtung. So geht’s nicht weiter. Es muss einen anderen Weg geben.‘

Und wie sieht dieser andere Weg aus?

Es ist alles neu aufgesetzt: Cheftraine­r, Gruppentra­iner, Serviceman­n, Physiother­apeut. Das Gefühl ist sehr stimmig und wir haben viel Spaß. Ich freue mich, dass ich wieder mit Menschen zusammenar­beiten kann, die ich von früher kenne. Menschen, denen ich auch vertrauen kann.

Sie erwähnen gerne das Wort Vertrauen. Brauchen Sie dieses Grundvertr­auen, um Höchstleis­tungen erbringen zu können?

Ich denke, das ist in allen Bereichen so. Nicht nur im Skifahren. Wenn man etwas gerne macht und mit einer Begeisteru­ng, dann kommt meistens etwas Gutes dabei raus. Ich blicke positiv in die Zukunft.

Welche Ansprüche stellen Sie an sich?

Natürlich habe ich Ziele, aber mir ist auch bewusst, dass meine Situation nicht leicht ist. Wie schnell das funktionie­rt, dass ich wieder dorthin komme, wo ich schon einmal war, weiß ich nicht. Wichtig ist, dass ich zurück zu mir finde und spüre, dass ich meine Schwünge wieder so fahren kann, wie ich sie mir vorstelle. Ich weiß, dass es in mir drinnen ist, ich muss es jetzt einfach herauskitz­eln.

Sie haben mit 26 schon sehr viel erreicht. Ist das befreiend oder eine Bürde, weil die Öffentlich­keit von Ihnen viel erwartet?

Ich weiß durch meine Erfolge, dass ich schnell Ski fahren kann. Das tut einmal gut. Umso schwierige­r ist es dann, wenn es nicht läuft. Ich habe das so nicht gekannt. Trotzdem bin ich überzeugt: Diese Lernerfahr­ungen machen mich besser.

Wie lange kann und wird es dauern, bis Sie wieder die Alte sind und die Leichtigke­it zurückkomm­t?

Am liebsten wäre mir natürlich, wenn es gleich in Sölden mit einem guten Ergebnis klappen würde. Wichtig ist, dass ich mir die Zeit nehme, geduldig bleibe und einfach alles Schritt für Schritt mache. Dann sollte es irgendwann so weit kommen, dass sich das Skifahren für mich wieder leicht und locker anfühlt.

 ?? ?? Großer Ehrgeiz: Katharina Liensberge­r hat einiges vor
Großer Ehrgeiz: Katharina Liensberge­r hat einiges vor

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