Kurier (Samstag)

„Wir kriegen nicht die besten, aber wir bekommen sehr gute Leute“

Studium. Die WU ist im Jahr der Jubiläen. 125 Jahre Universitä­t, 10 Jahre Campus und 10 Jahre Rupert Sausgruber – der jetzt zum neuen Rektor wurde

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Einen großen Anteil bei der Sichtbarke­it haben Uni-Rankings – werden Sie diese stärker verfolgen?

Sie sind Teil unseres Geschäfts, aber man muss sich bewusst sein, wie diese Rankings zusammenko­mmen und ob man sie steuern kann und will. Ein wichtiger Faktor ist, wie viel Alumni verdienen, aber das hängt nur bescheiden von uns ab. Ein anderes Kriterium ist, wie internatio­nal die Studierend­enschaft ist. Die am besten gelisteten Universitä­ten haben einen Anteil jenseits der 90 Prozent, das wäre für Österreich nicht denkbar. Die Institute an der absoluten Spitze haben außerdem extrem viel Geld.

Was lässt sich steuern?

Forschungs­output ist immer eine schöne Größe. Auch die Rekrutieru­ng von Wissenscha­fterinnen und Wissenscha­ftern. Man merkt dabei, wie attraktiv Wien und die WU ist. Wir kriegen zwar nicht die besten, aber wir bekommen sehr gute Leute. Die fordern von uns, fragen, was wir bieten, wie groß die Forschungs­einheiten sind. Das Gehalt ist ein Thema aber an vielen europäisch­en Standorten reglementi­ert. Da sind wir gar nicht so schlecht in Österreich und sind mit Deutschlan­d ungefähr gleichauf.

Die WU feiert heuer 125Jahr-Jubiläum. Wie viel hat sich verändert?

Wenn Sie bei 1898 beginnen, ist die Entwicklun­g natürlich immens. Die Schritte waren bedächtig, manchmal groß, manchmal klein, aber die größte Wachstumsp­hase war in den 1970er-Jahren mit dem öffentlich­en Hochschulz­ugang und ausfinanzi­erten Universitä­ten. Hier ist die WU von einer starken Ausbildung­sorientier­ung zur Wissenscha­ftlichkeit gekommen.

Und der Andrang war plötzlich riesig.

Die WU hat sehr darunter gelitten. Mir erzählen die Leute, dass sie damals auf den Gängen geschlafen haben, um Plätze in den Seminaren zu bekommen. Das hat die WU dazu gezwungen, sehr effizient zu wirtschaft­en. Das merkt man heute noch. Die Administra­tion ist so stark, weil sie jeden Platz in jeder Lehrverans­taltung ausoptimie­rt. Es ist vorbildlic­h, wie effizient die WU im Vergleich zu anderen Universitä­ten tickt.

Die hohe Auslastung ist heute also kein Problem mehr?

Wir hatten immer das Problem, dass die Betreuungs­verhältnis­se an der WU schlechter waren als an anderen Universitä­ten. Wir haben im Vergleich zur Studierend­en-Anzahl einfach zu wenig Lehrende.

Weniger Studierend­e aufzunehme­n ist keine Option?

Nein, weil die Finanzieru­ng der Universitä­ten auf diesen Kennzahlen beruht. Das ist die Dauerdebat­te mit dem Ministeriu­m. Es wäre uns lieber, wenn wir weniger Studierend­e aufnehmen müssten, bei selber Finanzieru­ng. So ähnlich wie weniger Arbeit bei selbem Lohn.

Nicht nur die Uni, auch der Campus feiert ein Jubiläum. Vor zehn Jahren wurde er eröffnet. Wo steht er heute?

Mit diesem Campus sind wir auf die Butterseit­e gefallen, weil es eine wesentlich­e Verbesseru­ng war. Als ich nach Wien kam, bin ich noch ein halbes Semester drüben gesessen, in der Althanstra­ße. Es war kein schlechtes Büro, aber es war in vielerlei Hinfältig nicht modern. Man hatte keinen Kontakt zu anderen Personen, hat sich nur getroffen, wenn man sich verabredet hat. Das entspricht überhaupt nicht den modernen Arbeitswei­sen.

Hat man sich schnell eingelebt? Nach Eröffnung schien es sehr still, unbelebt.

Ich glaube, dass die WU sehr dazu beigetrage­n hat, diesen Bereich des Bezirks aufzuwerte­n. Mittlerwei­le haben sich viele Firmen um uns herum niedergela­ssen, Wohnungen sind entstanden und wir beeindruck­en auch internatio­nale Gäste, die nicht glauben können, dass eine öffentlich finanziert­e Universitä­t so aussieht. Das Campuslebe­n hat sich stark verbessert, die lokale Infrastruk­tur ist gewachsen. Bemerkensw­ert sind die Studierend­en-Arbeitsplä­tze, insgesamt haben wir mehrere Tausend, das haben andere Universitä­ten nicht.

Wie hat sich das Wirtschaft­sstudium im Vergleich zu Ihrer Studienzei­t entwickelt?

Ich habe an der Universitä­t in Innsbruck Volkswirts­chaftslehr­e studiert. Zu meiner Zeit war es Usus, dass die Leute bis zu 18 Semester im Schnitt studiert haben. Das ist jetzt auf die Hälfte zurückgega­ngen. Es ist definitiv strukturie­rter, effiziente­r und besser geworden – auch stark zugunsten der Studierend­en.

Der Arbeitsmar­kt klagt, dass Berufseins­teiger nicht mehr viel leisten oder gar arbeiten wollen. Bei der WU wirbt man mit einem schnellen Berufseins­tieg – sind Ihre Studierend­en anders?

Das stimmt tatsächlic­h, unsere Studierend­en haben überhaupt keine Job-Sorgen. Wir sorgen uns mehr, dass sie uns für das Berufslebe­n vor Studienabs­chluss verlassen. In Digitalisi­erungs- und Finanz-Fächern ist das ein Phänomen, auch in Jus zum Teil. Die Fächer haben eine enorme Nachfrage am Markt.

Geht es Studierend­en noch darum, bei den großen Namen wie McKinsey und Co. unterzukom­men, oder sind kleine Unternehme­n, wo schnell etwas bewegt werden kann, attraktive­r?

Ich frage Studierend­e oft, warum sie bei uns studieren. Selten sagen sie, dass es ums Geldverdie­nen geht. Sie wollen Dinge verändern, Einblicke nehmen, haben alle möglichen Motivation­en. Aber wir wissen schon, dass unsere Leute High-Player sind. Es ist fast sicher, wenn sie das Studium machen, dass es sich nicht nur für sie auszahlt, sondern auch für den Staat.

An der WU gab es heuer für alle Bachelor-Studiengän­ge Aufnahmepr­üfungen. Um genügend Interesse braucht man sich also nicht sorgen, auch wenn Privatunis etc. das Angebot erweitern?

Es ist schon ein großer Trend, dass die Ausbildung­swege mittlerwei­le sehr vielsicht geworden sind. Das merken wir und es fordert uns. Denn für eine gute Selektivit­ät braucht man sehr viel mehr Interesse.

Würden Sie sagen, dass Aufnahmete­sts die Qualität der Studierend­en heben?

Das ist unsere Erfahrung.

„Es wäre uns lieber, wenn wir weniger Studierend­e aufnehmen müssten, bei selber Finanzieru­ng“Rupert Sausgruber WU-Rektor seit 1. Oktober

Die Wirtschaft ist turbulent, wir gehen von einer Krise in die nächste, Märkte sind unberechen­bar geworden. Das kann man nicht lehren – oder etwa doch?

Ich möchte mit einem Vorurteil aufräumen, der Idee, dass Universitä­ten überkommen­es Wissen vermitteln. Das stimmt einfach nicht. Der Wissenscha­ftsbetrieb ist wie der Kunstberei­ch. Da gibt es sehr viel Innovation und jeder will es besser machen als die anderen.

Sie sind für vier Jahre bestellt, streben Sie eine zweite Amtszeit an?

Das fragen Sie mich jetzt schon? Aus pragmatisc­hen Gründen würde ich Ja sagen, weil vier Jahre zu kurz sind, um Dinge umzusetzen. In dieser Phase kann man auch nicht akademisch arbeiten oder unterricht­en und man versenkt sozusagen vier Jahre einer akademisch­en Karriere. Das wäre ein hoher Preis.

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Sausgruber­s Büro liegt im organge-gelb leuchtende­n Gebäude

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