CHAOS deluxe
Lesen Sie bloß nicht den Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch, er ist zu herzzerfetzend. Jetzt, wo der Film mit Vicky Krieps im Part der Lyrik-Ikone mit der unterkühlten Grandezza der 1970er-Jahre in den Kinos ist, bin ich wieder durch dieses Beziehungsland aus Sehnsucht, Nähe, Zurückweisung, Eifersucht, Leidenschaft und Kälte gestapft. Bei der Lektüre möchte man immer wieder wie ein Coach auf der Trainerbank brüllen: „Lauf, Ingeborg, solange du noch kannst, sonst fährst du bei diesem selbstgefälligen Fondue-Fallott mit 180 Sachen gegen die Wand.“Die erste rote Flagge in dem Briefwechsel ist wohl des Schweizers frühes Bekenntnis zum „zärtlichen Neid“bezüglich der Ausdruckskraft der Dichterin. Und darin liegt auch schon der Ursprung der Katastrophe: Trotz der aus jedem Buchstaben triefenden Eitelkeit checkte der Typ bald, dass er es da mit einer Einzigartigen zu tun bekommen hatte, an deren Talent er, der Literatur-Biedermann, nie auch nur ansatzweise heranreichen kann. Dass eine Frau in Begabung blüht und möglicherweise den Alpha-Künstler an ihrer Seite zur Begleiterscheinung degradieren könnte, halten nur die wenigsten Kerls aus: siehe Clara Schumann, Alma Mahler, Frieda Kahlo, Lillian Hellman, Martha Gellhorn und und und. Klar geht auch hervor, dass die Bachmann radikaler und gänzlich ohne Sicherheitsnetz liebte, als der 15 Jahre ältere Frisch. Je mehr er sich entfernte („Ich bin nicht verliebt, Ingeborg, aber erfüllt von dir“) desto mehr hält „das Meetier“(er über sie) an der Unmöglichkeit dieser Liebe fest: „Ich klammere mich an die kleinste Freundlichkeit ... ich bin erschöpft von all diesen Verwundungen.“Mein Ex-Psychotherapeut würde trocken anmerken: „Textbook-Drama.“Madonna, in einer Phase, wo ihr Gesicht noch den gleichen Jahrgang wie sie selbst hatte, sagte: „Nur schwache Männer ertragen keine starken Frauen.“Theoretisch wissen wir das eh alles, nur wenn die Liebe, das alte Luder, dazwischen funkt, Hilfe!