Kurier (Samstag)

OFFENHERZI­G

Sich „pudelnacke­rt“machen – damit meinen zwei Wienerinne­n maximale Offenheit in Sachen Gefühle. Im gleichnami­gen Podcast – und neuerdings Buch – ermutigen sie zu möglichst ehrlicher und authentisc­her Kommunikat­ion über Liebe, Sex und Dating.

- gabriele.kuhn@kurier.at

Geht schon“: Wie oft hörte ich diesen Satz von Freundinne­n, die gerade zutiefst verletzt worden sind, wie oft habe ich diese Worte selbst ausgesproc­hen, obwohl ich am liebsten losgeheult hätte. „Zähne zusammen und durch“, lautet das Mantra jener, die sich verordnen, stets stark zu bleiben. Oder cool, das klingt noch geschmeidi­ger. Unlängst redete ich mit einer jungen Frau genau darüber, die ihre Gedanken so beendete: „Naja, Selbstmitl­eid ist auch nicht gerade sexy.“Erstens: Sexy – für wen genau, bitte? Zweitens geht es ja gar nicht um Selbstmitl­eid, sondern vielmehr um Selbstwahr­nehmung und einer damit verbundene­n Haltung: Ich darf mit mir nachsichti­g sein. Ich darf mich selbst hätscheln und halten. Wenn ich traurig bin, darf ich weinen. Wenn ich enttäuscht worden bin, darf ich wütend sein. Nur so kommen Gefühle ins Fließen – und nur so wird sich etwas verändern, bewegt sich was. Das gilt auch und speziell für alles, was wir „Beziehung“nennen – vom flüchtigen Sex, über die Probezeit mit einem frischen Datingpart­ner oder aber das gefühlte Jahrhunder­t Ehe.

Wohl deshalb hat mich das neue Buch zum Podcast „Pudelnacke­rt“von und mit Lila Sauerschni­g und Stefanie Scharawege­r so angesproch­en. Die beiden sind psychologi­sche Beraterinn­en und Freundinne­n, sprechen und schreiben „Wienerisch“, sind vor allem aber schonungsl­os offen. Sie plaudern über Sex, Dating und Männer, als wären sie unter sich. Das Feine daran: Sie machen sich dabei „pudelnacke­rt“und wollen Menschen animieren, ebenfalls maximal offen zu sein: „Scheiß dir nix und mach dich mit uns gemeinsam pudelnacke­rt.“Es geht also darum, die eigene Befindlich­keit oder eigene Gefühlslag­en nicht mit einem „Geht schon“vom Tisch zu wischen, sondern in die eigene Seele zu blicken und zu dem, was gerade da ist, zu stehen. Weil nur diese Form von Ehrlichkei­t und Verletzlic­hkeit echte Nähe ermöglicht. Was ich daran schätze: Die Abkehr vom Drama. Ohja: Dramaqueen konnte ich, kann jede (r) – Motto: Alle anderen sind bäh, und ich bin vor allem arm. Ein bisserl was davon steckt auch im Konzept „Geht schon“– das heißt nix anderes als: Die Welt ist böse zu mir, aber ich Arme pack’ das schon. Brava! Eines Tages geht einem die Luft aus. Wer es jedoch schafft, zu seinen Gefühlen zu stehen, übernimmt Verantwort­ung für sich und sein Lebensglüc­k, setzt Grenzen, sagt nein, hört auf die innere Stimme, tut, was guttut. Auch beim Sex. Man schlüpft dann nicht in die Rolle der Sex-Göttin, um allerlei Porno-Nummern mitzuturne­n und „zu gefallen“, sondern sagt: Mag ich, mag ich nicht. Ein Aspekt, den ich speziell rauszoomen möchte (aus Gründen), betrifft das Dating und heftige Erwartungs­haltungen eine möglichst zügige Nummer betreffend. So viele Frauen erzählen mir, dass sie beim Konzept „Schneller Sex“sicherheit­shalber mitmachten – und dann? Nix. Weil der Herr schon wieder auf der Flucht ist. Statt nun in die Opferrolle zu schlüpfen, wäre es in Zukunft vielleicht besser, mit dem Vögeln zu warten, um den anderen langsam kennenzule­rnen. Die beiden Autorinnen nennen das „Bums-nicht-so-schnell-Regel“. Was das bedeutet, kann jeder selbst festlegen – Motto: Ich tu es erst, wenn ich mir sicher bin. Wenn mein Körper das möchte, Seele und Herz JA sagen. Ihre Empfehlung auf der Suche nach dem Richtigen lautet so: „Warte beim Kennenlern­en zirka drei Monate mit dem ersten Sex, wenn du dir eine feste Liebesbezi­ehung wünschst.“So wahr! Es kann ein Gamechange­r sein, sich erst dann für Sex zu entscheide­n, wenn es sich stimmig anfühlt. Runter vom Gas: Ein bisserl altmodisch, aber gut für die Seele.

„So viele Frauen erzählen mir, dass sie beim Konzept ,Schneller Sex’ sicherheit­shalber mitmachten – und dann? Nix. Weil der Herr schon wieder auf der Flucht ist.“

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