Wo wir Wohnbauträgern Wünschelrutengänger wünschen würden
Wiener Ansichten. Unlängst war an dieser Stelle vom Hernalser Friedhof die Rede. Dort ist auch ein gewisser Ingenieur Karl Beichl begraben. Oberst Beichl und sein Schüler Friedrich Musil waren im Ersten Weltkrieg sogenannte Militär-Wünschelrutengänger, die an der Front für die Wasserversorgung der Truppen zuständig waren. Als einer seiner größten Erfolge gilt die Auffindung einer Wasserader, die die Trinkwasserversorgung der Stadt Triest sicherte. Der Kaiser zeichnete den Mann für seine Verdienste mit einer gestickten goldenen Wünschelrute aus.
Es gibt Menschen, die holen sich einen Wünschelrutengänger, bevor sie ein Haus bauen oder auch nur ein Bett platzieren, damit ja keine Wasseradern ihren Schlaf stören können. Wünschelrutengänger und andere „Radiästheten“haben sogar eine eigene Fachgruppe in der Wirtschaftskammer (sie gehören zu den „Lebensraumconsultern“). So einen Lebensraumconsulter könnte man Wiener Wohnbauträgern empfehlen, die Hochhäuser neben eine seit Jahrzehnten etablierte Kultureinrichtung stellen, wo regelmäßig Weltstars von Patti Smith bis Iggy Pop auftreten. Und die halt ein bisserl laut ist, weil sie auch eine OpenAir-Bühne hat – der KURIER berichtete. Dass weder die Bauherren der Wohntürme noch so manche Bewohner, die, kaum eingezogen, aufgeregt gegen den Lärm protestierten, gewusst haben wollen, wo sie da bauen beziehungsweise wo sie hinziehen, lässt auf große Ortsunkundigkeit schließen.
Ganz anders ist das bei hochrangigen Funktionären des Gemeindebundes und bei manchen Wiener Bezirkspolitikern. Sie haben weder Pendler noch Rutengänger gebraucht, um über für sie günstige Entwicklungen bevorstehender Grundstücksumwidmungen Bescheid zu wissen. Ebenso wie ein Kollege aus dem Städtebund, wie sich nun herausstellte. Auch er, ein Lebensraumconsulter in eigener Sache.
Vielleicht ist es für den SPÖ-Bundesparteiobmann ja doch nicht so schlecht, dass die guten Beziehungen zur Stadt Wien derzeit auf Eis zu liegen scheinen. Ganz im Gegenteil.