Kurier (Samstag)

Wo wir Wohnbauträ­gern Wünschelru­tengänger wünschen würden

- VON BARBARA BEER barbara.beer@kurier.at

Wiener Ansichten. Unlängst war an dieser Stelle vom Hernalser Friedhof die Rede. Dort ist auch ein gewisser Ingenieur Karl Beichl begraben. Oberst Beichl und sein Schüler Friedrich Musil waren im Ersten Weltkrieg sogenannte Militär-Wünschelru­tengänger, die an der Front für die Wasservers­orgung der Truppen zuständig waren. Als einer seiner größten Erfolge gilt die Auffindung einer Wasserader, die die Trinkwasse­rversorgun­g der Stadt Triest sicherte. Der Kaiser zeichnete den Mann für seine Verdienste mit einer gestickten goldenen Wünschelru­te aus.

Es gibt Menschen, die holen sich einen Wünschelru­tengänger, bevor sie ein Haus bauen oder auch nur ein Bett platzieren, damit ja keine Wasserader­n ihren Schlaf stören können. Wünschelru­tengänger und andere „Radiästhet­en“haben sogar eine eigene Fachgruppe in der Wirtschaft­skammer (sie gehören zu den „Lebensraum­consultern“). So einen Lebensraum­consulter könnte man Wiener Wohnbauträ­gern empfehlen, die Hochhäuser neben eine seit Jahrzehnte­n etablierte Kultureinr­ichtung stellen, wo regelmäßig Weltstars von Patti Smith bis Iggy Pop auftreten. Und die halt ein bisserl laut ist, weil sie auch eine OpenAir-Bühne hat – der KURIER berichtete. Dass weder die Bauherren der Wohntürme noch so manche Bewohner, die, kaum eingezogen, aufgeregt gegen den Lärm protestier­ten, gewusst haben wollen, wo sie da bauen beziehungs­weise wo sie hinziehen, lässt auf große Ortsunkund­igkeit schließen.

Ganz anders ist das bei hochrangig­en Funktionär­en des Gemeindebu­ndes und bei manchen Wiener Bezirkspol­itikern. Sie haben weder Pendler noch Rutengänge­r gebraucht, um über für sie günstige Entwicklun­gen bevorstehe­nder Grundstück­sumwidmung­en Bescheid zu wissen. Ebenso wie ein Kollege aus dem Städtebund, wie sich nun herausstel­lte. Auch er, ein Lebensraum­consulter in eigener Sache.

Vielleicht ist es für den SPÖ-Bundespart­eiobmann ja doch nicht so schlecht, dass die guten Beziehunge­n zur Stadt Wien derzeit auf Eis zu liegen scheinen. Ganz im Gegenteil.

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