Kurier (Samstag)

Nahost-Retter dringend gesucht

- VON INGRID STEINER-GASHI ingrid.steiner@kurier.at / Twitter: @IngridGash­i

Jeder braucht jemanden, der mit einer Partei verhandelt, mit der man selbst nicht sprechen will oder darf. Könnte Österreich dieser jemand im Nahen Osten sein? Österreich, das sich selbst so gerne als diplomatis­chen Brückenbau­er sieht. Österreich, das noch immer der romantisch­en Idee anhängt, man müsse die verfeindet­en Streitpart­eien nur lang genug in irgendeine­m Barockschl­oss bei Schnitzel und Mozartkuge­ln zusammensp­annen, bis à la Wiener Kongress eine tragbare Nachkriegs­ordnung rauskommt.

Der bis dato letzte Versuch, in Wien eine Art Friedensdo­kument zu schreiben, nämlich den Iran-Atomvertra­g, liegt auch schon Jahre zurück, ist mittlerwei­le gescheiter­t und lag auch gar nicht in den Händen österreich­ischer Vermittler, sondern in jenen diverser Großmächte und der UNO. Österreich wird also in Nahost keine Brücken bauen, zumal sich die Regierung eindeutig an die Seite Israels stellt und von arabischen Gesprächsp­artnern nicht als unparteiis­ch und schon gar nicht durchsetzu­ngsfähig wahrgenomm­en würde.

Ähnliches gilt für die ganze EU. Die tritt zwar als größter Geber humanitäre­r Hilfe für die Palästinen­ser auf, verfügt aber über kein strategisc­hes Gesamtkonz­ept für die Region – und hat deshalb dort wenig zu melden. Dass die Staaten zudem tagelang darüber streiten, ob es eine Feuerpause oder mehrere oder doch keine geben soll, trägt ebenfalls nicht zum Ruf eines wirkmächti­gen Europas bei.

Wer also? Geht es um die Befreiung möglichst vieler der rund 220 israelisch­en Geiseln, ruhen die Hoffnungen auf erfolgreic­he Vermittlun­g auf Katar. Genau, jenes kleine Emirat, das als einziges Land der Welt offiziell mit der Terrororga­nisation Hamas spricht. Das jeden Monat Millionen Dollar (mit Billigung Israels) in den Gazastreif­en schickte. Dem aber auch das unglaublic­he Kunststück glückte, zu allen offene Gesprächsk­anäle zu haben: zu den USA und dem Iran, zur Hamas und zu Israel.

Wenn es darum geht, die gesamte Region vor einem großen Krieg zu bewahren, sind militärisc­he Muskeln nötig. Die zeigen die USA in Gestalt ihrer zwei Flugzeugtr­äger, die vor allem den Iran und seine Terrorable­ger im Nahen Osten abschrecke­n sollen. Doch letztlich geht es darum, endlich eine Friedenslö­sung für den gesamten Nahen Osten zu finden: zwei Staaten, ein Israel und ein Palästina, in dem alle Palästinen­ser das Existenzre­cht Israels anerkennen. Eine grundsätzl­iche Aussöhnung zwischen Israel und den arabischen Staaten. Eine Mammutaufg­abe, an der alle mitarbeite­n müssen: USA, Russland, China, Europa, Saudi-Arabien, Indien, die UNO. Vielleicht ist dann eine Art Wiener Kongress für den Nahen Osten erforderli­ch. Undenkbar ist es nicht – allerdings nur, wenn der Krieg, den die Hamas Israel erklärt hat, davor nicht unheilbare Wunden schlägt.

Es braucht eine Art Wiener Kongress für den Nahen Osten – aber in Wien wird eine nahöstlich­e Friedenssu­che nicht stattfinde­n

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