Kurier (Samstag)

Neue Hoffnung liegt im EU-Lieferkett­engesetz

Konzerne könnten für verursacht­e Schäden im Ausland auch in der EU verklagt werden

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Wer haftet? Frankreich war eines der ersten Länder, das Gesetze für verantwort­ungsvolle Unternehme­n und nachhaltig­e Lieferkett­en erlassen hat. Das französisc­he Sorgfaltsp­flichtgese­tz (Loi de Vigilance) wurde 2017 eingeführt. Es schreibt eine Sorgfaltsp­flicht in Bezug auf Menschenre­chte und Umweltvera­ntwortung innerhalb der eigenen Mutter- und Tochterges­ellschafte­n sowie der Lieferkett­e eines Unternehme­ns vor.

Das Gesetz sieht eine zivilrecht­liche Haftung und einen Rechtsbehe­lfsmechani­smus vor, somit können Einzelpers­onen ein Unternehme­n wegen Verstößen verklagen, und die verstoßend­en Unternehme­n müssen Abhilfemaß­nahmen ergreifen. „Tatsächlic­h sind solche Umwelt- und Klimaklage­n auch in Frankreich voller Hürden, oft weisen die Richter aus aberwitzig­en Gründen die Klagen ab“, erzählt Global-2000-Expertin Anna Leitner. „Denn in Europa fehlt oft die Möglichkei­t, im Rechtsweg Schäden von Konzernen, etwa Umweltvers­chmutzung oder Treibhausg­asemission­en, einklagen zu können.“

Längst werden alle möglichen rechtliche­n Alternativ­en gesucht, etwa über die heimische Gewerbeord­nung Öl- und Gas zu verbieten. Diese Klagen haben vor allem das Ziel, Präzedenzf­älle herzustell­en, also wegweisend­e Grundsatzu­rteile zu bekommen.

Deswegen würden sich derzeit alle Augen nach Brüssel richten, erzählt Leitner. Dort wird gerade ein finaler Versuch unternomme­n, ein Lieferkett­engesetz zu beschließe­n, dass neue Klagsmögli­chkeiten beinhalten dürfte.

„Da wird etwa eine zivilrecht­liche Haftung inkludiert sein. Damit wären auch Klagen vor Gerichten in der EU möglich, auch wenn anderswo Unrecht geschieht.“

Noch werde massiv gegen das Lieferkett­engesetz lobbyiert, berichtet Leitner. „Da geht es etwa um die Frage, für welche Bereiche eine zivilrecht­liche Haftung gilt, inwieweit das auch für das Klima gilt und was bei Lieferkett­en in Sachen Menschenre­chte und Arbeitnehm­errechte gilt. Der Finanzmark­t versucht sich da gerade, heraus zu lobbyieren.“

Bisher gehe es bei Klimaklage­n um vier Punkte: Unternehme­n sollen gezwungen werden, ihre Treibhausg­asEmission­en schneller zu reduzieren, entstanden­e Schäden werden eingeklagt wie auch Schadeners­atz für künftige Schäden. Und nicht zuletzt Kosten für Anpassungs­maßnahmen, etwa der Bau von Dammanlage­n.

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Global-2000-Expertin Anna Leitner

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