Kurier (Samstag)

„Fridays“fordern Höchstrich­ter noch einmal heraus

Klimaklage scheiterte an formaler Hürde. VfGH werde sich bewegen müssen, sagt Experte Bezemek. Zuletzt gab es positive Signale

- VON RAFFAELA LINDORFER

Aus „formalen Gründen“– ohne inhaltlich­e Prüfung – zurückgewi­esen hat der Verfassung­sgerichtsh­of im Juli ein Antrag von zwölf Kindern und Jugendlich­en, die wegen der Klimapolit­ik der Regierung um ihre Zukunft fürchten. Die „Fridays for Future“-Bewegung zeigte sich enttäuscht, will aber nicht aufgeben. Anwältin Michaela Krömer bringt die Klimaklage demnächst erneut ein, wie sie auf KURIER-Anfrage am Freitag bestätigte.

Immerhin gab es vom VfGH zuletzt positive Signale für die Anliegen der Klimaschüt­zer. Der VfGH hat einen anderen Antrag, in dem ein Verbot fossiler Brennstoff­e gefordert worden ist, zwar abgewiesen, aber klargestel­lt, dass den Staat eine Pflicht trifft, Maßnahmen zum Schutz des Privatlebe­ns und des Eigentums zu ergreifen. Und das nicht nur bei unmittelba­r drohenden Gefahren, sondern auch hinsichtli­ch der Zukunft. Der Klimawande­l mitsamt Naturkatas­trophen und Extremwett­er dürfte in diese Kategorie fallen.

Von diesem „Signal“haben die Klimaschüt­zer de facto aber nichts: Der VfGH stellte gleichzeit­ig fest, dass der Gesetzgebe­r einen „Gestaltung­sspielraum“habe. Der Bürger habe keinen Anspruch auf eine bestimmte Maßnahme. „Aber wenn der Staat strukturel­l unwirksame Maßnahmen oder Maßnahmen trifft, die den gegenwärti­gen Status verschlech­tern würden, könnte eine Klimaklage in der Sache erfolgreic­h sein“, erklärt Verfassung­sexperte Christoph Bezemek von der Uni Graz.

Der Hintergrun­d: In Österreich fungiert der VfGH als „negativer Gesetzgebe­r“.

Vereinfach­t gesagt heißt das, dass er bestehende Regeln aufheben, von der Politik aber keine von Grund auf neuen einfordern kann.

Das deutsche Bundesverf­assungsger­icht funktionie­rt ähnlich, war zuletzt aber deutlich mutiger: Im Frühjahr 2021 wurde das Klimaschut­zgesetz als „unzulängli­ch“beurteilt, weil die Fortschrei­bung der CO2-Reduktions­ziele gefehlt hat. Für Aufsehen gesorgt hat die Argumentat­ion, dass die jetzige Generation auf Kosten der nächsten lebt: Während es derzeit kaum Einschränk­ungen gebe, sei in Zukunft mit weitaus stärkeren Einschränk­ungen der individuel­len Freiheit zu rechnen.

Der österreich­ische VfGH könnte sich laut Bezemek beispielsw­eise auf die Klimaziele bzw. auf das Staatsziel Nachhaltig­keit berufen, das in der Verfassung verankert ist.

Dazu müsste ein Antrag aber erst die formalen Hürden nehmen. Nicht erst seit der zurückgewi­esenen Klimaklage gibt es Kritik am VfGH, dass er zu restriktiv vorgehe. Bezemek sagt dazu: „Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich der Verfassung­sgerichtsh­of bei Klimaklage­n in Zukunft etwas bewegen muss.“

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Eine neue Klimaklage sollte demnächst beim VfGH eingelange­n

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