Kurier (Samstag)

Im Supermarkt ausgerutsc­ht – habe ich Recht auf Schadeners­atz?

- Rechtsanwä­ltin Dr. Maria In der Maur-Koenne beantworte­t juristisch­e Fragen zu praktische­n Fällen aus dem Reich des Rechts. rechtprakt­isch@kurier.at

Eine gute Freundin war einkaufen, ist im Geschäft ausgerutsc­ht und hat sich dabei den Knöchel gebrochen. Es hat sich herausgest­ellt, dass ein Mitarbeite­r vorher gewischt hat und vergessen hat, ein Warnschild aufzustell­en. Als ich meinte, sie solle doch Schadeners­atz verlangen, tat es meiner Freundin aber leid, weil der Mitarbeite­r noch Student war und wenig Geld hat und er außerdem so hilfsberei­t war. Das Geschäft gehört allerdings zu einer größeren Supermarkt­kette. Gibt es vielleicht eine Möglichkei­t, von dieser Schadeners­atz zu verlangen? Lea P., Wien Liebe Frau P., ich wünsche Ihrer Freundin eine rasche Genesung. Um Ihre Frage zu beantworte­n, muss zuerst beleuchtet werden, ob überhaupt Schadeners­atz zusteht, und in einem zweiten Schritt, von wem. Ihre Freundin hat eine Körperverl­etzung erlitten, ersetzt werden hier in Form des Schadeners­atzes insbesonde­re Heilungsko­sten, ein allfällige­r Verdienste­ntgang und Schmerzens­geld. Zu den Heilungsko­sten zählt dabei alles, was der Verbesseru­ng des Gesundheit­szustandes dient, wie etwa Krankenhau­saufenthal­te, Heilbehelf­e und ärztliche Behandlung­en. Verdienste­ntgang würde gebühren, sofern die Verletzung zu einer Verringeru­ng oder einem Entfall von Einnahmen führt. Schmerzens­geld wird für gewöhnlich nach Stärke der Schmerzen in Tagessätze­n abgegolten.

In Österreich muss jeder seine Schäden prinzipiel­l selbst tragen. Nur wenn der Schaden von jemandem anderen schuldhaft und rechtswidr­ig verursacht wurde, wird derjenige schadeners­atzpflicht­ig. Die Verletzung ist hier auf das Verhalten eines Mitarbeite­rs zurückzufü­hren, da er den Boden feucht zurückgela­ssen hat, ohne ein Warnschild aufzustell­en. Dadurch hat er gegen Schutz- und Sorgfaltsp­flichten verstoßen. Das Aufstellen des Warnhinwei­ses ist vom Mitarbeite­r wohl schlicht vergessen worden, sodass er leicht fahrlässig gehandelt hat. Ihre Freundin könnte also wohl vom Mitarbeite­r direkt Schadeners­atz verlangen. Zum Zeitpunkt des Betretens des Geschäfts hat Ihre Freundin noch keinen Vertrag mit dem Unternehme­n abgeschlos­sen. Es ist aber davon auszugehen, dass sie vorhatte einzukaufe­n, wäre ihr der Sturz nicht dazwischen gekommen. Um das Verhalten der Mitarbeite­r schon in diesem Stadium der Vertragsan­bahnung dem Unternehme­n zurechnen zu können, gibt es die sogenannte culpa in contrahend­o, das Verschulde­n bei der Vertragsan­bahnung. Dadurch werden die Regeln der Vertragsha­ftung angewendet, was insbesonde­re dazu führt, dass der Geschäftsh­err für das Verhalten seiner Gehilfen genau so haftet wie für das eigene. Genau das kommt Ihrer Freundin zugute: Sie kann also auch von der Supermarkt­kette Schadeners­atz verlangen, da deren Mitarbeite­r schuldhaft gegen vorvertrag­liche Schutz- und Sorgfaltsp­flichten verstoßen hat.Ein Freibrief für den Mitarbeite­r ist das allerdings nicht. Der Arbeitgebe­r kann mittels sogenannte­n Regresses vom Mitarbeite­r Rückersatz verlangen, wenn dieser schuldhaft gehandelt hat. Das Dienstnehm­erhaftpfli­chtgesetz mindert dies dahin, dass unselbstst­ändige Dienstnehm­er ihrem Dienstgebe­r für besonders leichte, entschuldb­are Fahrlässig­keit gar nicht haften und auch bei sonstiger Fahrlässig­keit kann das Gericht Mäßigungen oder Erlass vorsehen.

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