Kurier (Samstag)

Der Wolf und der Aufsichtsr­at

Warum Russland-Unternehme­r Siegfried Wolf trotz Wunsch von Sebastian Kurz nicht wieder Aufsichtra­tschef wurde – er saß jahrelang im vormaligen Freundesve­rein

- ANDREA HODOSCHEK

Mit dem Prozess gegen ExBundeska­nzler und ÖVP-Parteichef Sebastian Kurz ist der Aufsichtsr­at der Staatshold­ing ÖBAG ins öffentlich­e Licht gerückt. Sein Wunschkand­idat als Vorsitzend­er sei, sagte Kurz vor Gericht, der Unternehme­r Siegfried Wolf gewesen. Thomas Schmid,

Ex-Kurz-Vertrauter, ÖBAG-Alleinvors­tand und heute möglicher Kronzeuge, habe Wolf bekämpft, denn dieser wäre mit Schmid „Schlitten gefahren“.

Die erstaunte Frage von Richter Michael Radasztics, das habe sich Kurz aufs Aug’ drücken lassen, hat durchaus ihre Berechtigu­ng.

Wolf saß schon einmal im Aufsichtsr­at der Staatshold­ing, 13 Jahre lang, bis 2015. Damals hieß die Holding noch ÖIAG und im letzten Jahr übernahm Wolf den Vorsitz. Der ehemalige MagnaChef, Russland-Unternehme­r und Putin-Versteher wäre sicher ein dominanter Aufsichtsr­atsboss gewesen, keine Frage. Schmid hatte dagegen gearbeitet, doch eine derart hochkaräti­ge Besetzung des wirtschaft­lich wichtigste­n Postens der Republik hätte er, bei allem Machtstreb­en, nicht blockieren können.

Es waren vielmehr die USSanktion­en gegen den russischen Autoherste­ller GAZ, die den neuerliche­n Sprung von Wolf an die Spitze der Staatshold­ing verhindert­en. Wolf war Aufsichtsr­atsvorsitz­ender und hielt eine zehnprozen­tige Beteiligun­g an GAZ. Der größte russische Autobauer gehört zum Imperium des sanktionie­rten Oligarchen Oleg Deripaska.

Der Plan war, dass Wolf zuerst in den Aufsichtsr­at der Porsche Automotive Holding SE einziehen solle, dann wäre auch die ÖBAG in Ordnung. Doch das Kalkül ging nicht auf. Wolf musste die Kandidatur für das Porsche-Mandat bei der Hauptversa­mmlung 2018 zurückzieh­en, die Unbedenkli­chkeitserk­lärung wegen der US-Sanktionen war noch nicht eingelangt. Er dockte erst 2019 bei Porsche an und ist nicht mehr im GAZAufsich­tsrat. Die Beteiligun­g ist ruhend gestellt.

Damit war es aber für den Aufsichtsr­atsvorsitz der damals neu gegründete­n ÖBAG zu spät. Die Hauptversa­mmlungen der großen Beteiligun­gsunterneh­men standen an und die ÖBAG wäre in den Aufsichtsr­äten der teilstaatl­ichen Unternehme­n nicht präsent gewesen.

Jagdgesell­schaft

Also wurde der ehemalige Berater und Krankenhau­s-Manager Helmut Kern an die Spitze der ÖBAG geholt. Wolf sollte vorübergeh­end in das neue Beteiligun­gskomitee gehen und Kern nach zwei Jahren die ÖBAG an Wolf abgeben. Damit aber dürfte Kern wiederum keine Freude gehabt haben und Wolf war nicht mehr interessie­rt, hörte man damals aus ÖVP-Kreisen.

Kern blieb bis September 2022, als ihn Finanzmini­ster Magnus Brunner (ÖVP) durch Günther Ofner ablöste, erfolgreic­her FlughafenV­orstand und ÖVP-Urgestein.

Kurz setzte auf Wolf, weil er ihm, ebenso wie René Benko, als Unternehme­r imponierte. Außerdem kannte Wolf die Staatshold­ing bereits. Nur, der „alte“ÖIAGAufsic­htsrat war äußerst umstritten, zuletzt selbst in ÖVPWirtsch­aftskreise­n. Das Gremium war zum Freundeskr­eis der Auto- und Papierindu­strie verkommen. Den meisten Mitglieder­n, geschäftli­ch allesamt miteinande­r verbunden, war auch die Leidenscha­ft für die Jagd gemeinsam.

Wie konnte es so weit kommen? 2000 feierten der damalige schwarze Bundeskanz­ler Wolfgang Schüssel

und sein Finanzmini­ster KarlHeinz Grasser die „Entpolitis­ierung“des ÖIAG-Aufsichtsr­ates und schrieben sie per Gesetz fest. Das Gremium erneuerte sich selbst, heißt, die Mitglieder entschiede­n selbst über die Besetzung jeder vakanten Position. Die Regierung hatte nichts mehr mitzureden, trug aber für die Republik die Verantwort­ung.

Wolf geriet in die öffentlich­e Kritik, als bei der Privatisie­rung der Voest der Geheimplan „Minerva“geleakt wurde. Der Stahlkonze­rn sollte an Magna verkauft werden. Wolf, damals MagnaManag­er, bekam ein grobes Unvereinba­rkeitsprob­lem, der Deal hatte sich erledigt.

Auch bei der Inthronisi­erung des Russland-Freundes Rainer Seele zum OMV-Chef dürfte Wolf die Fäden gezogen haben. Offiziell bestellte natürlich der OMV-Aufsichtsr­at Seele, doch der damalige ÖIAG-Chef Rudolf Kemler,

auch OMV-Aufsichtsr­atspräside­nt, galt als Marionette von Wolf. Die Russland-Abenteuer von Seele kosteten die OMV Milliarden an Wertberich­tigungen. Seele hat einen guten Draht zu Kurz, heute sind beide geschäftli­ch in Abu Dhabi unterwegs, wo der OMV-Miteigentü­mer Adnoc sitzt.

Die rot-schwarze Koalition unter Faymann/Mitterlehn­er beendete schließlic­h den Freundeskl­ub, aus der ÖIAG wurde die ÖBIB, eine GmbH ohne Aufsichtsr­at, auf die der Finanzmini­ster direkten Zugriff hatte. Chefin Martha Oberndorfe­r war nicht in den Aufsichtsr­äten der Unternehme­n vertreten. Bis dahin saßen die CEOs der Staatshold­ing immer an der Spitze der Aufsichtsr­äte der Beteiligun­gsunterneh­men. Wolf kritisiert­e die neue Konstellat­ion, die Politik habe schon lange versucht, direkten Einfluss zu bekommen.

Jedenfalls, die ÖBIB war auch keine gute Lösung, Türkis/Blau baute zur stark aufgewerte­ten ÖBAG um.

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Ex-Magna-Boss Siegfried Wolf kannte die Staatshold­ing gut, er imponierte Sebastian Kurz als erfolgreic­her Unternehme­r
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