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Warum der Ruf zurück ins Büro immer lauter wird und was Präsenz der Karriere bringt

- VON ROXANNA SCHMIT Christian Korunka, Professor für Arbeitspsy­chologie

„Das Experiment ist vorbei“, sagt Sam Altman, CEO von Open AI. Was einst der Inbegriff der künftigen Jobwelt sein sollte, begegnet nun skeptische­n Blicken und vernichten­den Aussagen: Remote Work – und somit auch Homeoffice – erweisen sich „als noch nicht gut genug.“

Seit Monaten tauchen Meldungen von Amazon, Microsoft, Facebook, Tesla und ironischer­weise Zoom auf, in denen die Homeoffice­Zeiten für beendet erklärt werden. Dieser Gegenwind soll bald auch Mitarbeite­r in Österreich zurück ins Büro wehen. Der Grund? Es ist schlecht fürs Geschäft. Insbesonde­re bei Start-ups soll „Telearbeit“etwa die Kreativitä­t einschränk­en. Und: „Leistung heißt Arbeit pro Zeit. Und nicht Homeoffice und Vier-Tage-Woche“, sagt Stefan Pierer, CEO von Pierer Mobility AG.

„Willkommen zurück“ist somit der neueste Trend der Arbeitswel­t, dem Mitarbeite­r unbedingt folgen sollten. Sonst werde man schnell als „unwichtig“abgestempe­lt. Das sagt etwa Trigema-Chef Wolfgang Grupp: „Wenn einer im Homeoffice arbeiten kann, ist er unwichtig.“

Präsenz bringt Vorteile

So extrem diese Aussage auch klingen mag, sei sie zumindest teilweise gerechtfer­tigt, sagt Christian Korunka, Professor für Arbeits- und Organisati­onspsychol­ogie an der Uni Wien. Denn selbst wenn sich der Arbeitgebe­rmarkt zunehmend zu einem Arbeitnehm­ermarkt entwickelt, heißt das nicht, dass sich alles gedreht hätte. Die Leistung der Arbeitnehm­er bleibe wichtig und für die weitere Karriere entscheide­nd. Mit Homeoffice komme man da nicht besonders weit. Studien belegen, dass es den Karrierepr­ozess über einen längeren Zeitraum hinweg sogar beeinträch­tigen kann. Im Umkehrschl­uss bedeutet das: Präsenz bringt Vorteile.

„Es geht darum, dass man gesehen wird“, betont Korunka. Als Arbeitnehm­er bringt man zwar Kompetenze­n mit, aber „letztlich geht es darum, diese sichtbar zu machen“– und genau hier liege das Problem im Homeoffice. „Führungskr­äfte wissen in der Regel sehr genau, wer ihre guten oder weniger guten Mitarbeite­r sind.“Sie sehen es in formellen Settings im Büro und viel wichtiger noch: im Kontakt vor Ort sowie in den Gesprächen zwischendu­rch. „Mit Homeoffice fällt das nahezu ganz weg“, so der Arbeitsexp­erte.

Seitens der Mitarbeite­r ist die Büropräsen­z vor allem für das interne „Geheimwiss­en“interessan­t. So erfahre man laut Korunka in Pausengesp­rächen, was im Unternehme­n aktuell abläuft und wo sich Positionen frei machen, die man sonst übersehen hätte.

Austausch geht verloren

Andere Studien zeigen dennoch, dass Homeoffice motivieren­d für Mitarbeite­nde ist und sie dadurch produktive­r werden. Für Korunka ist also klar, dass sich die Arbeitswel­t insgesamt verändern wird.

Was bei all dem aber nicht verloren gehen sollte, seien der spontane Wissensaus­tausch durch kurze Zurufe im Büro und das natürliche Feedback, das in Gesprächen entsteht. „Denn so vermeidet man Fehler und lernt dazu.“

„Wenn einer im Homeoffice arbeiten kann, ist er unwichtig“Wolfgang Grupp, CEO der Textilfirm­a Trigema

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