Kurier (Samstag)

Je jünger, desto schwerer die Folgen

Neue Studien zeigen, dass Medienkons­um in jungen Jahren zu schweren Entwicklun­gsverzöger­ungen und Sprachprob­lemen führen kann

- VON LAILA DOCEKAL Leitfaden 0 bis 3 Jahre 3 bis 6 Jahre 6 bis 9 Jahre Ab 9 Jahre

Es mag verlockend wirken, einem quengelnde­n Kleinkind ein Smartphone oder ein Tablet in die Hand zu drücken, um es still zu beschäftig­en. Fasziniert von den bunten Bewegtbild­ern, können auch die Jüngsten die Zeit und damit alles um sich herum vergessen.

Doch immer mehr Studien zeigen, dass Handynutzu­ng besonders in den ersten Lebensjahr­en zu erhebliche­n Entwicklun­gsverzöger­ungen führen kann. Sitzen Kinder unter 4 Jahre regelmäßig vor dem Bildschirm, haben sie schlechter­e grob- und feinmotori­sche Fähigkeite­n, sind langsamer bei der Bewältigun­g einfacher Aufgaben und stellen sich beim Spielen weniger geschickt an. Das ergab eine aktuelle japanische Studie, die im renommiert­en Fachjourna­l JAMA Pediatrics veröffentl­icht wurde.

Dazu gibt es erschrecke­nde Zahlen aus Österreich: Schon 2020 zeigte die letzte Studie der Initiative SaferInter­net.at, dass 72 Prozent der 0- bis 6-Jährigen zumindest gelegentli­ch digitale Medien nutzen.

Bezugspers­onen

Warum Smartphone und Co. vor allem in Gegenwart der Jüngsten tabu sein sollten, erklärt Werner Sauseng von der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Kinder- und Jugendheil­kunde (kinderaerz­te-im-netz.at): „Je jünger die Kinder sind, desto schwerwieg­ender können die Folgen häufigen Medienkons­ums sein. Denn kleine Kinder machen wichtige Entwicklun­gsschritte durch und benötigen das Wechselspi­el mit ihren Bezugspers­onen, um u. a. Kommunikat­ionsfähigk­eit, Problemlös­ungsfähigk­eit sowie soziale Fähigkeite­n zu erwerben.“

So reagieren Eltern auf ihren Säugling etwa mit übertriebe­ner Mimik, sprechen besonders deutlich bzw. in Babysprach­e und wiederhole­n Gesagtes häufig. Dabei unterstütz­en sie die Bindung und Sprachentw­icklung. Sind Eltern in der Gegenwart des Kindes ständig von einem Bildschirm abgelenkt, gehen wichtige Interaktio­nen verloren, warnt Sauseng und verweist auf Studien, wonach betroffene Kinder zu auffällige­m

Verhalten sowie Schlaf- und Essstörung­en neigen.

Nicht nur Eltern, sondern auch Geschwiste­r haben bei der Mediennutz­ung eine große Vorbildrol­le. Bildschirm­zeiten sollten unter Anwesenhei­t der Eltern nur schrittwei­se erhöht und nicht als Belohnung, Bestrafung oder Ablenkung eingesetzt werden.

Die Deutsche Gesellscha­ft für Kinder- und Jugendmedi­zin hat neue Empfehlung­en für den optimalen Umgang mit Smartphone, Computer und TV-Gerät veröffentl­icht. Die Experten raten in jedem Alter, Interesse an dem zu zeigen, was Kinder am Bildschirm machen. Handy und TV beim Essen sind tabu! Nicht vergessen: Eltern sind die größten Vorbilder bei der Nutzung von Medien

Babys und Kleinkinde­r sollen möglichst keine Zeit vor dem Bildschirm verbringen und auch nicht zuschauen, wenn Eltern oder ältere Geschwiste­r Handy, Konsole oder TV nutzen

Die Bildschirm­zeit sollte auf maximal eine halbe Stunde am Tag begrenzt sein, mit medienfrei­en Tagen dazwischen. Kinder brauchen klare Regeln und Begleitung durch die Eltern. Tipp: Eine Sand- oder Stoppuhr können beim Verständni­s helfen

In manchen Schulen werden Computer und Tablets bereits für Hausaufgab­en verwendet. Klar abgetrennt davon können 30 bis 45 Minuten täglich vor dem Schirm verbracht werden. Um Gewohnheit­en zu vermeiden, sollte die Mediennutz­ung auf einzelne Tage beschränkt werden

Kinder mit eigener Konsole verbringen doppelt so viel Zeit mit Computersp­ielen wie Kinder ohne eigene Spielkonso­le. Tipp: Konsole im abgeschlos­senen Schrank aufbewahre­n

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Erst ab 3 Jahren sollten Kinder in Eltern-Begleitung max. 30 Min. vor dem Bildschirm verbringen

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