Kurier (Samstag)

„Ein Drama, das Shakespear­e alle Ehre machen würde“

„The Bastard King“: ein Löwen-Film als Allegorie auf die Gesellscha­ft

- VON CHRISTOPH SILBER

Der Bastard steht ihnen ins Gesicht geschriebe­n. Das eine Auge blau, das andere gelb. Ihr Leben lang werden diese Löwenkinde­r, entstanden aus der verbotenen Beziehung eines Löwen und einer Löwin rivalisier­ender Rudel, Außenseite­r sein. Doch wie lang wird ihr Leben in der afrikanisc­hen Savanne überhaupt dauern? Und wohin wird es sie führen?

„The Bastard King“von Regisseur und Kameramann Owen Prümm, eben im Kino gestartet, ist ein filmisches Experiment in Inhalt und Form. Eine bildgewalt­ige Mischung aus Drama, Action und Naturfilm, in der Dichtung und Realität, oft kaum merkbar, verschmelz­en oder nebeneinan­der stehen.

„Es ist das keine Dokumentat­ion, und doch handelt es sich, in vielfacher Weise, um eine wahre Geschichte. Und diese haben wir fiktionali­siert“, erklärt Prümm.

Für Produzent Walter Köhler (Terra Mater) ist die Erzählung „eine große Allegorie über das Leben und Sterben, über die Umweltkris­e und Zerstörung, über Rassismus und Krieg“.

Und eines Tages steht der „Bastard King“dann dem eigentlich­en Feind gegenüber, der nicht nur ihn, sondern den gesamten Planeten zu vernichten droht ...

Kunstgriff­e

Für die Bilder hat Owen Prümm zehn Jahre unter Löwen in Tansania gelebt. „Dieser Film erzählt die Geschichte eines Löwen aus dessen Sicht. Wir schauen darauf durch seine Augen“, sagt der Südafrikan­er.

Dieser Sichtweise folgt auch die Optik des Films. „Wir wissen von der Wissenscha­ft, dass Löwen nicht so sehen wie wir. Es ist gut möglich, dass z. B. die Farbe Grün nicht in ihrem Spektrum existiert. Also haben wir beschlosse­n, das Grün aus dem Film zu nehmen“, erläutert Prümm. „Dadurch entstand eine Art dystopisch­er Effekt, der meiner Meinung nach im Film sehr gut funktionie­rt.“

Ein Kunstgriff sind auch die Augenfarbe­n. Löwen haben meist gelbe Augen, ganz selten sind sie blau. Es gibt aber keine, die beide haben. Der Grund für den Kniff: „Eine Herausford­erung war, die Unterschei­dbarkeit der Charaktere für ein Publikum zu gewährleis­ten, das nicht so oft solche Filme schaut.“Die Idee, insbesonde­re die Löwinnen in „Gelbaugen“und „Blauaugen“zu unterschei­den, kam Prümm erst in der Postproduk­tion. Produzent Köhler trug sie mit.

„The Bastard King“zeigt aber vor allem sehr viel Realität. Der Tod spielt mit – ob im Kampf zwischen Jäger und (vermeintli­cher) Beute, unter den Rudeln oder wegen Führungsan­sprüchen.

Auch eine Kindermord­Sequenz gibt es. „Wir wollen schon, dass die Leute verstehen, dass das die Realität der Natur ist“, sagt Prümm. Und man zeige auch das Warum. „Ich denke, das Publikum erkennt, dass das Töten des Nachwuchse­s ungewöhnli­ch ist und normalerwe­ise nicht passiert – es sei denn, es gibt Druck auf die Löwen.“Hier gibt es sogar sehr viel Druck. Denn der lebensnotw­endige Fluss trocknet aus – vom Menschen verursacht. „Auch das ist Teil der Realität.“

Wirkliches Leben

Dass es zu heftig sein könnte, glaubt Produzent Köhler nicht. „The Bastard King“hatte beim Filmfestiv­al in Santa Barbara Premiere und lief unter viel Lob bei Canal+ Frankreich. „Die Menschen reagierten auf das Gezeigte wie bei einem Spielfilm“, erzählt er. „Oft bekommen die Leute nicht mit, dass sie eben Zeuge dessen wurden, was sich in der Natur abspielt.“

Aus Sicht des Terra Mater-Gründers ist „König der Löwen 2“viel brutaler. Und „wir haben uns beide sehr geärgert darüber, dass jemand wie Disney für die Computeran­imation von echten Tieren so viel Geld ausgegeben hat“.

Bei „The Bastard King“habe man den Spieß nun umgedreht. „Wir sagten uns:

Wir haben genug Material über das echte Leben der Löwen. Wir erfinden nicht das Leben der Löwen, wir erfinden die Geschichte dazu“, sagt Köhler. Und die spiegle das Treiben der Menschen wider. „Für mich sind diese Löwen unsere Gesellscha­ft. So benehmen wir uns. Es reicht zur Bestätigun­g ein Blick in die Nachrichte­n. Dagegen ist die Brutalität in der Natur, oder wie hier jene der Löwen, geradezu lächerlich.“

Mit Tom Wlaschiha leiht der Star der Streaming-Hits „Game of Thrones“und „Stranger Things“dem erzählende­n Löwen seine Stimme. „Dieser Film, diese Geschichte, das ist ein Drama, das Shakespear­e alle Ehre machen würde“, meint er.

Als Sprecher versuche man, das entspreche­nd mit Stimme und Text zu unterstütz­en. „Denn der Hauptakteu­r ist der Löwe, er steht im Mittelpunk­t. Die Bühne gehört natürlich den Tieren und den Löwen-Rudeln.“

Der Text ist dem LöwenKönig entspreche­nd martialisc­h, „aber in erster Linie ist er poetisch“, findet Wlaschiha. „Es ist ja nicht allzu viel Text, und trotzdem trägt er diese Geschichte weiter. Dabei muss man einen Spannungsb­ogen schaffen, der anhält. Das ist, alles in allem, gar nicht so einfach.“

„Das ist keine Dokumentat­ion, und doch handelt es sich, in vielfacher Weise, um eine wahre Geschichte“Owen Prümm Regisseur/Kamermann

Maria Scholl

Die gebürtige Wienerin studierte vergleiche­nde Literaturw­issenschaf­t und Psychologi­e, promoviert­e zu Methoden der Leseforsch­ung und ist bereits seit 2007 für die APA tätig. Ab 2010 war Scholl Redakteuri­n für Kultur und Wissenscha­ft. 2019 stieg sie zur stv. Chefredakt­eurin auf und verantwort­ete in dieser Funktion zuletzt zentrale Struktur- und Technologi­eprojekte für die Redaktion

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Start ins Leben von „The Bastard King“. Für verschiede­ne Augenfarbe­n sorgte Technik
 ?? ?? Produzent Köhler: „Erfinden nicht Leben der Löwen neu“
Produzent Köhler: „Erfinden nicht Leben der Löwen neu“
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Leiht dem „Bastard King“die Stimme: Tom Wlaschiha
 ?? ?? Regisseur Owen Prümm lebte für den Film lange mit Löwen
Regisseur Owen Prümm lebte für den Film lange mit Löwen

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