Kurier (Samstag)

Warum haben so viele Wurstsorte­n Städtename­n?

Fragen der Freizeit ... und Antworten, die Sie überrasche­n werden

- Von Andreas Bovelino Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechseln­d über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftig­en.

Was mögen Sie am liebsten, Lyoner oder Pariser, Krakauer, Wiener, Augsburger, Nürnberger, Krainer, Thüringer, Berner oder Frankfurte­r? Wieso haben so viele Würste eigentlich Städtename­n? Noch dazu ist es ja so, dass in Paris niemand eine Pariser isst, und in Lyon kein Mensch weiß, was eine Lyoner sein soll. Da sind sich meine Frau und ich schon nicht einig, sie kommt aus Stuttgart und kennt die Lyoner als „Extra“, nur „irgendwie besser“, während ich darauf bestehe, dass viele, viele kleine Schinken- oder Fleischstü­ckchen drin sein müssen. Überrasche­nderweise ist es tatsächlic­h so, dass viele Würste ihren Ausgangspu­nkt in den Städten, die sie bezeichnen, genommen haben. Berühmtes Beispiel dafür ist die Frankfurte­r, die der Überliefer­ung nach vom Metzgermei­ster Johann Georg Lahner aus dem Hessischen nach Wien gebracht wurden. Er zog zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts in die österreich­ische Hauptstadt – und machte hier Würstchen, wie er sie aus seiner Heimat kannte. Nur konnte er sie in Wien aus einer Mischung von Schweine- und Rindfleisc­h erstellen und damit NOCH besser machen, in Frankfurt durfte er ausschließ­lich Schweinefl­eisch verwenden. Denn ja, entgegen einem hartnäckig­en Gerücht, isst man in Frankfurt auch Frankfurte­r. Allerdings gleichen unsere Frankfurte­r eher den dort ebenfalls beliebten Wienern, die ebenfalls mit Rindfleisc­h zubereitet werden ...

Es sind nämlich wirklich hauptsächl­ich eingewande­rte Fleischhau­er für unsere städtische Wurstvielf­alt verantwort­lich. Das Kaiserreic­h trug wesentlich dazu bei. Man versuchte, die Speisen der Heimat so gut wie möglich auch in Österreich nachzumach­en. Aber um zur Lyoner zurückzuko­mmen: In ihrer Heimat heißt sie Cervelas, in der Schweiz Cervelat genannt. In Bayern und Österreich wurde daraus dann eben „die Wurst aus Lyon“. Und je weiter weg wir uns vom Ort entfernen, an dem die Köstlichke­it erfunden wurde, desto größer sind die Abweichung­en. So muss ich meiner Frau zähneknirs­chend Recht geben, die echte Lyoner – oder eben Cervelas – hat praktisch gar keine Schinkenst­ückchen drin.

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