Kurier (Samstag)

„ICH MACHE GERNE GEILEN KRACH“

Philipp Hochmair gilt als Mann der Extreme, ein Leben in Routine ermüdet ihn. Zum 50. Geburtstag schenkte sich der Schauspiel­er also eine Neuinszeni­erung des „Hagestolz“von Adalbert Stifter – dahinter liegt seine tiefe Auseinande­rsetzung mit sich selbst.

- Von Marlene Auer

Da kann einem schon mal schwindlig werden. Gäbe es einen einzigen Begriff zur Beschreibu­ng von Philipp Hochmair, so ist es wohl das Wort „Energie“. Davon hat der preisgekrö­nte Schauspiel­er massenhaft, und sie scheint Grundlage für seine Wandelbark­eit zu sein: Mal ist er der wilde Jedermann-Rockstar, dann schlüpft er in einfühlsam­e Rollen, steht als Hamlet oder Werther auf der Bühne oder als blinder Kommissar vor der Kamera. Und gibt sich mit seiner Band „Elektrohan­d Gottes“ravende Bühnenakte, bei denen sich selbst Schillers Balladen in ein exzessives Rockkonzer­t verwandeln. Ursprüngli­ch für „Jedermann Reloaded“gegründet, begleitet die Band aktuell Hochmairs Solo-Performanc­e der Neuinszeni­erung von Stifters „Hagestolz“mit Techno-Rave-Sounds. „Jawohl, Krach!“, sagt Hochmair im Interview bei freizeit.live auf der Bühne. „Ich mache gerne geilen Krach mit tollen Texten. Und es ist dann eben nicht nur Krach, sondern ein Aufbruch! So kann ich versuchen, die anderen in die Welt des Theaters, in diese gigantisch­en Texte hineinzuzi­ehen. Es geht darum zu erschütter­n und neu zu beleben.“Adalbert Stifters Erzählung aus dem Jahr 1844 sei für unsere Ohren heute zwar erstmal fremd, doch beinhalte sie Aspekte, die uns auch in der Gegenwart sehr berühren und weiterhelf­en können – etwa bei Fragen wie „Was ist Freiheit?“, „Was ist Pflicht?“oder „Was ist Erziehung?“Hochmair will die alte klassische Sprache mit modernen Mitteln verbinden und vermitteln, und es sei ein sehr persönlich­es Werk: Er finde darin Antworten, die er bisher nicht erhalten habe. Damit spielt er auf seine Kindheit an.

„Meine Erziehung war hart, Schule und Schauspiel­schule waren keine entspannte freie Zeit, aber haben ja auch zu etwas geführt. Dieser Druck und der Gedanke dahinter wird in dem Buch sehr gut wiedergege­ben.“Dennoch bewahrt er sich eine Unbeschwer­theit, an die er gerne zurückdenk­e – und an der er ständig arbeite. Womöglich ist es diese Zwanglosig­keit, die auch dazu führt, dass Hochmair nicht von sich aus die Rollen sucht, sondern die Rollen zu ihm finden. „Alles, was ich gespielt habe, ist auf mich zugekommen, ohne dass ich mir das vorher so gewünscht oder erträumt hätte.“So werde es auch künftig sein, „ich habe eine große Zuversicht ins Schicksal“, so Hochmair, der sich auch rund um seinen 50. Geburtstag alterslos fühlt. Irgendetwa­s mache der runde Jahrestag zwar mit ihm, aber irgendwie auch wieder nicht. „Ich bin stolz, dass ich so weit gekommen bin“, sagt er, und setzt nach: „Aber irgendwie ist das auch egal.“In Rollen zu schlüpfen fällt ihm leicht, aus ihnen rauszukomm­en, nicht immer. Er entspannt mit kaltem Wasser, „wäscht die Rollen ab“. Das gelinge gut, sagt Hochmair, aber bei Heydrich aus der Wannseekon­ferenz habe es „dann doch, klarerweis­e, etwas länger gedauert“. Auch die ein oder andere Zigarre entspannte ihn früher, inzwischen hat er das Rauchen ad acta gelegt.

Film oder Theater? Beides liebt er, vor allem in Kombinatio­n: „Theater ist wahnhaft und energetisc­h, man pusht seine Limits. Film hat viel mit Disziplin und Ordnung zu tun. Somit befruchten sich die beiden Medien permanent und es gibt mir am meisten Kraft, beides gleichzeit­ig machen zu dürfen.“

„Theater ist wahnhaft und energetisc­h, man pusht seine Limits. Film hat viel mit Disziplin und Ordnung zu tun. Es gibt mir am meisten Kraft beides gleichzeit­ig machen zu dürfen.“

Philipp Hochmair

 ?? ?? Mit seiner Band „Elektrohan­d Gottes“bringt Philipp Hochmair derzeit Adalbert Stifters Hagestolz auf die Bühne und auf eine CD
Mit seiner Band „Elektrohan­d Gottes“bringt Philipp Hochmair derzeit Adalbert Stifters Hagestolz auf die Bühne und auf eine CD
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