Wie Israel im Gazastreifen Krieg führt
Erinnerungen an Mossul. Israels Streitkräfte haben den Nordteil der Enklave vom Süden getrennt, nun folgt der blutige Häuserkampf
Feuerpausen? Wird es nicht geben, sagte Benjamin Netanjahu. Auch der Besuch von US-Außenminister Blinken, der Israels Premier am Freitag in Tel Aviv recht deutlich aufforderte, einen Gang zurückzuschalten, änderte daran nichts.
Das liegt wohl auch daran, dass Israel im Gazastreifen erste Fortschritte erzielt. Die Streitkräfte konnten Gaza-Stadt umzingeln und bis zur Küste vordringen, trennten den Nord- vom Südteil des Gazastreifens ab. Damit ist eine erste Etappe geschafft, allerdings nicht die schwierigste. Gaza-Stadt einzunehmen, wird eine massive Herausforderung. Die Stadt selbst ist so groß wie Eisenstadt, der gesamte Gazastreifen kleiner als Wien – aber das ganze Areal ist voller kleiner Gassen und Häuserschluchten, und es ist komplett untertunnelt. 500 Kilometer sollen die Anlagen umfassen, die die Hamas in den vergangenen Jahren angelegt hat – vor allem unter zivilen Einrichtungen wie etwa Spitälern, sagen Experten.
Das ist auch der Grund, warum die Luftwaffe NordGaza so massiv beschossen hat. 6.000 Bomben hat Israel allein in der ersten Kriegswoche abgeworfen, mehr als die US-geführte Koalition gegen den Islamischen Staat in einem Monat. So will man das unterirdische System zerstören und der Hamas ihre Rückzugsorte nehmen.
In den Tunneln selbst setzt Israel Spezialwaffen – etwa Roboter – ein, um nicht Soldaten selbst hineinschicken zu müssen. Blutig werde der Häuserkampf dennoch, befürchten Beobachter. Denn nach wie vor befinden sich Zivilisten im Nordteil, eine Unterscheidung zwischen Unbeteiligten und HamasTerroristen ist nahezu unmöglich – darauf setzen die Radikalislamisten auch.
Experten vergleichen den Kampf darum mit der Schlacht um Mossul im Irak, wo ähnlich viele Menschen lebten wie im Gazastreifen. Dort waren nach einem dreiviertel Jahr Krieg 10.000 tote Zivilisten zu beklagen – im Gazastreifen sind es nach drei Wochen bereits 9.000, sagt die Hamas.
Diese Zahl wird den Druck auf Netanjahu weiter steigen lassen. Die Details der Offensive werden bewusst geheim gehalten, doch Beobachter vermuten, dass Tel Aviv nicht von seinen Plänen abrücken wird, solange die mehr als 240 Geiseln nicht befreit sind. Die Hoffnung ruht darauf, dass der hohe militärische Druck die Hamas zu Tauschhandeln zwingt.
Wie lange das dauern kann? Die Einschätzung des US-amerikanische Institute for the Study of War (ISW) ist pessimistisch: Wochen – wenn nicht Monate.