Habeck sammelt mit Israel-Rede Beliebtheitspunkte bei Medien und Opposition
„Richtige Worte, richtiger Ton“, lobt die Union, „historisch“, schreibt die Bild. Traditionsgemäß ist der Höhenflug aber nie von langer Dauer
Deutschland. Er ist Liebesund Hassobjekt der deutschen Medien wie kein anderer Politiker. Nach dem Drama um das Heizungsgesetz galt der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck eigentlich schon als abgeschrieben: Er und sein „Heiz-Hammer“waren Feindbild Nummer eins der Bild, von der Union wurde er „Bruchpilot im Blindflug“genannt. In den vergangenen Monaten war es ruhig um ihn, der Spiegel mutmaßte, er habe sich nach den Negativschlagzeilen einen Maulkorb verpasst. Im Sommer vertrat er den in Frankreich urlaubenden Olaf Scholz (SPD).
Doch ganz plötzlich ist er wieder zurück als „Liebling“der Nation mit „KanzlerPotenzial“.
Auf Social Media veröffentlichte der Vizekanzler ein zehnminütiges Video, in dem er mit schwarzem Anzug und Krawatte zum Krieg zwischen Israel und der Hamas und dem aufflammenden Antisemitismus in Deutschland Stellung nimmt.
„Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson“– ein Satz, der drohe, zu einer Leerformel zu werden. Habeck erklärt, was er darunter versteht: Dass „die Sicherheit Israels für uns als Staat notwendig ist“. Er berichtet von Gesprächen mit Juden in Deutschland, die ihren Kindern raten würden, die Kette mit dem Davidstern zuhause zu lassen – „und das fast 80 Jahre nach dem Holocaust“, sagt Habeck immer wieder. Antisemitismus sei in keiner Gestalt zu tolerieren. Kritik an Israel sei in Deutschland erlaubt, genauso wie für die Rechte der Palästinenser und einen eigenen Staat einzutreten. Aber der Aufruf zur Gewalt gegen Juden sei verboten: „Antisemitismus kann damit nicht legitimiert werden.“
„Staatsmännisch“
Die Medien waren voll des Lobes: „Wirklich exzellent“(stern ), „historisch“(Bild), „staatsmännisch“(Focus), eine „Klarheit [...], wie es sich viele von den Politikern in diesen Ämtern gewünscht hätten“(Die Welt). Der Spiegel ortete einen „Neustart“für den Vizekanzler. Sogar die BBC berichtete von dem „emotionalen Video mit großer Wirkung“.
Selbst politische Gegner fanden lobende Worte: Der ehemalige CDU-Vorsitzende Armin Laschet lobte die „argumentativ stark und gut begründete innen- und außenpolitische Haltung Deutschlands“, die über alle Parteigrenzen hinweg unterstützt werden müsse. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte, „Robert Habeck hat genau die richtigen Worte gefunden, den Ton getroffen“.
Habecks Worte stoßen auch deswegen auf so viel Begeisterung, weil ein ähnlich emotionaler Vergleich fehlt: Kanzler Scholz äußerte sich bisher gewohnt technisch und kühl, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier distanziert und präsidentiell.
Den Vorwurf, mit seiner Rede Koalitionspartner oder ranggleiche Parteikolleginnen ausstechen zu wollen (in drei Wochen treffen sich die Grünen zum Parteitag), will Habeck nicht gelten lassen. Er habe einfach „genug Ruhe gehabt“, sich mal Gedanken zu machen, „um die verworrene Debattenlage zu entwirren“.
Habecks rhetorisches Talent ist bekannt. Er und sein Social-Media-Team wissen, wie er sich in Szene setzen muss. Man erinnere sich an sein Video zum Flüssiggasdeal mit Katar, in dem er sein innerliches Ringen öffentlich machte. Es folgten Lobeshymnen, ein Hoch in den Umfragewerten und ein tiefer Fall wenige Monate später.