Kurier (Samstag)

Habeck sammelt mit Israel-Rede Beliebthei­tspunkte bei Medien und Opposition

„Richtige Worte, richtiger Ton“, lobt die Union, „historisch“, schreibt die Bild. Traditions­gemäß ist der Höhenflug aber nie von langer Dauer

- CAROLINE FERSTL

Deutschlan­d. Er ist Liebesund Hassobjekt der deutschen Medien wie kein anderer Politiker. Nach dem Drama um das Heizungsge­setz galt der grüne Wirtschaft­sminister Robert Habeck eigentlich schon als abgeschrie­ben: Er und sein „Heiz-Hammer“waren Feindbild Nummer eins der Bild, von der Union wurde er „Bruchpilot im Blindflug“genannt. In den vergangene­n Monaten war es ruhig um ihn, der Spiegel mutmaßte, er habe sich nach den Negativsch­lagzeilen einen Maulkorb verpasst. Im Sommer vertrat er den in Frankreich urlaubende­n Olaf Scholz (SPD).

Doch ganz plötzlich ist er wieder zurück als „Liebling“der Nation mit „KanzlerPot­enzial“.

Auf Social Media veröffentl­ichte der Vizekanzle­r ein zehnminüti­ges Video, in dem er mit schwarzem Anzug und Krawatte zum Krieg zwischen Israel und der Hamas und dem aufflammen­den Antisemiti­smus in Deutschlan­d Stellung nimmt.

„Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräso­n“– ein Satz, der drohe, zu einer Leerformel zu werden. Habeck erklärt, was er darunter versteht: Dass „die Sicherheit Israels für uns als Staat notwendig ist“. Er berichtet von Gesprächen mit Juden in Deutschlan­d, die ihren Kindern raten würden, die Kette mit dem Davidstern zuhause zu lassen – „und das fast 80 Jahre nach dem Holocaust“, sagt Habeck immer wieder. Antisemiti­smus sei in keiner Gestalt zu tolerieren. Kritik an Israel sei in Deutschlan­d erlaubt, genauso wie für die Rechte der Palästinen­ser und einen eigenen Staat einzutrete­n. Aber der Aufruf zur Gewalt gegen Juden sei verboten: „Antisemiti­smus kann damit nicht legitimier­t werden.“

„Staatsmänn­isch“

Die Medien waren voll des Lobes: „Wirklich exzellent“(stern ), „historisch“(Bild), „staatsmänn­isch“(Focus), eine „Klarheit [...], wie es sich viele von den Politikern in diesen Ämtern gewünscht hätten“(Die Welt). Der Spiegel ortete einen „Neustart“für den Vizekanzle­r. Sogar die BBC berichtete von dem „emotionale­n Video mit großer Wirkung“.

Selbst politische Gegner fanden lobende Worte: Der ehemalige CDU-Vorsitzend­e Armin Laschet lobte die „argumentat­iv stark und gut begründete innen- und außenpolit­ische Haltung Deutschlan­ds“, die über alle Parteigren­zen hinweg unterstütz­t werden müsse. CDU-Generalsek­retär Carsten Linnemann sagte, „Robert Habeck hat genau die richtigen Worte gefunden, den Ton getroffen“.

Habecks Worte stoßen auch deswegen auf so viel Begeisteru­ng, weil ein ähnlich emotionale­r Vergleich fehlt: Kanzler Scholz äußerte sich bisher gewohnt technisch und kühl, Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier distanzier­t und präsidenti­ell.

Den Vorwurf, mit seiner Rede Koalitions­partner oder ranggleich­e Parteikoll­eginnen ausstechen zu wollen (in drei Wochen treffen sich die Grünen zum Parteitag), will Habeck nicht gelten lassen. Er habe einfach „genug Ruhe gehabt“, sich mal Gedanken zu machen, „um die verworrene Debattenla­ge zu entwirren“.

Habecks rhetorisch­es Talent ist bekannt. Er und sein Social-Media-Team wissen, wie er sich in Szene setzen muss. Man erinnere sich an sein Video zum Flüssiggas­deal mit Katar, in dem er sein innerliche­s Ringen öffentlich machte. Es folgten Lobeshymne­n, ein Hoch in den Umfragewer­ten und ein tiefer Fall wenige Monate später.

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Drei Tage soll Habeck an der Rede gefeilt haben. Medien und Opposition überhäufte­n ihn mit Lob

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