Wer ist hier der Boss?
Formel 1. Beim dominanten Red-Bull-Rennstall sollen Einfluss und Rollen neu verhandelt werden. Im Zentrum: Teamchef Christian Horner und der langjährige Mateschitz-Vertraute Helmut Marko
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Red Bull steuert in der Formel 1 einer nahezu perfekten Saison entgegen. Auch beim Rennwochenende in São Paulo mit Sprintrennen am Samstag (19.30 Uhr MEZ) und Grand Prix am Sonntag (18.00/jeweils live ServusTV, Sky) gilt der österreichischenglische Rennstall dank Weltmeister Max Verstappen als haushoher Favorit.
Der Champagner mag regelmäßig spritzen, die Stimmung ist aber dennoch etwas schaumgebremst. Das liegt an einem Machtkampf, der hinter den Garagentoren entstanden sein soll.
Im Mittelpunkt stehen Teamchef Christian Horner, demnächst 50, der dreißig Jahre ältere Motorsportberater Helmut Marko und die Frage, wie das sportlich und finanziell erfolgreiche Projekt nach dem Tod von Konzerngründer Dietrich Mateschitz künftig ausgerichtet werden soll. Medienberichte, wonach der Grazer und der langjährige Mateschitz-Vertraute bald seine Position als machtvoller Stratege innerhalb des Rennstalls abgeben müsse, dementieren die handelnden Personen elegant: „Ich glaube, wir gewinnen zu viel. Es gibt keine richtigen News, und da wird jetzt halt was aufgespielt“, sagte Marko.
Machtvakuum
Mag zum Teil stimmen. Immerhin sind Gerüchte aus dem Fahrerlager seit jeher Teil des Grand-Prix-Zirkus’, der einen nicht geringen Teil seiner Faszination aus Intrigen, Machtspielchen und Skandalen generiert.
Dennoch hat die Lücke, die der selten präsente, aber dennoch stets allgegenwärtige Mateschitz aufgerissen hat, ein Machtvakuum entstehen lassen, das einige nun ausfüllen wollen. Vor allem Teamchef Horner artikulierte zuletzt auffällig direkter: „Wir sprechen sehr regelmäßig über alle Aspekte. Für Helmut ist es seit dem Tod seines Freundes und Kollegen Dietrich etwas anders als früher, aber er spielt immer noch eine sehr wertvolle Rolle innerhalb der Mannschaft.“
Tatsächlich hat der Brite Fehlentwicklungen zuletzt öffentlich deutlicher benannt. Etwa dass Marko es war, der das bei Alpha Tauri, dem Zweitteam des Konzerns, gescheiterte (und längst beendete) Fahrerengagement von Nyck de Vries zu verantworten hatte. Auch der stark in die Kritik geratene Sergio Pérez war seine Wahl für das zweite Red-Bull-Cockpit. Dennoch genießt der Grazer weiterhin hohes Ansehen in der Szene als beinharter, aber eben auch exzellenter Entwickler von Weltkarrieren à la Verstappen oder Vettel.
Erfolgsprojekte
Streng genommen ist auch Christian Horner eines der Erfolgsprojekte des ehemaligen Le-Mans-Siegers. Nachdem sich die beiden in den 1990erJahren als Teammanager in der Formel 3.000 begegnet waren, machte Marko 2005 Werbung für Horner bei Mateschitz, als der Red-BullBoss einen Teamchef für seinen neu übernommenen Formel-1-Rennstall suchte.
„Ohne Helmut wäre ich nicht in der Position, in der ich heute bin. Wie bei den jungen Fahrern hat er auch mir eine Chance gegeben“, erinnert sich Horner, der nun dabei ist, auch verstärkt die langfristige Strategie vorzugeben. Der mittlerweile längstdienende Teamchef der Formel 1 war federführend bei den Verhandlungen mit US-Gigant Ford, der ab 2026 bei Red Bull einsteigt. Marko (und Mateschitz) hatten lange eine Zusammenarbeit mit Porsche präferiert.
Dass Motorsportberater Marko nie einen Vertrag mit dem Rennstall besessen hat, sondern eine Vereinbarung mit Mateschitz bzw. der Red Bull GmbH, ist eine weitere Besonderheit, die der Steirer wohl auch einzusetzen weiß: „Ich habe einen Vertrag bis Ende 2024. Am Ende ist es die Entscheidung der Shareholder, nicht die von Christian Horner. Aber letztendlich entscheide ich über mich.“
„Am Ende ist es die Entscheidung der Shareholder, nicht die von Horner. Letztendlich entscheide ich über mich“
Helmut Marko über seinen Vertrag