Kurier (Samstag)

Ein halber Freispruch für den Handel

Teure Lebensmitt­el. Die Bundeswett­bewerbsbeh­örde konnte keinen Nachweis für Übergewinn­e oder „Gierflatio­n“im Handel finden, wohl aber Hinweise auf unfaire Verhandlun­gspraktike­n gegenüber Lieferante­n

- VON MICHAEL BACHNER

„Die Anzahl der eingemelde­ten unfairen Praktiken gegenüber Lieferante­n ist beunruhige­nd“Natalie Harsdorf-Borsch BWB-Chefin

Monatelang haben neben den Energiepre­isen insbesonde­re die hohen Lebensmitt­elpreise im Supermarkt die Debatte über die Rekord-Inflation bestimmt. Viele Beteiligte wollten im Handel, wo die vier dominanten Player – Spar, Rewe, Hofer und Lidl – mehr als 90 Prozent des Marktes beherrsche­n (Deutschlan­d 76 Prozent) den Schuldigen für überdurchs­chnittlich hohe Preissteig­erungen ausgemacht haben. Letztlich führte das zu einer breit angelegten Branchenun­tersuchung der Bundeswett­bewerbsbeh­örde (BWB), deren Ergebnisse am Freitag von der neuen Behörden-Chefin Natalie HarsdorfBo­rsch präsentier­t wurden.

Die wichtigste­n Ergebnisse der Untersuchu­ng sind:

1

Die Handelsspa­nne ist zwischen 2021 bis Mitte 2023 weitgehend unveränder­t geblieben, die Gewinnmarg­en der Supermarkt­ketten hätten sich eben „nicht signifikan­t verbessert“. Das bedeutet, es wurden laut BWB keine Übergewinn­e seitens der Handelskon­zerne eingefahre­n oder ungerechtf­ertigte Gewinne im Windschatt­en der allgemeine­n Teuerungse­ntwicklung (Stichwort: „Gierflatio­n“) gemacht. Vielmehr hätte auch der Handel hohe Kostenstei­gerungen tragen müssen, beispielsw­eise 38 Prozent bei der Energie im Jahr 2022. Branchenve­rtreter beeilten sich daher am Freitag zu betonen, man sei Opfer und nicht Verursache­r der Teuerungsk­rise.

2

Die Verhandlun­gsmacht der vier Handelsrie­sen sei angesichts ihrer Marktantei­le aber enorm und führe insbesonde­re gegenüber ihren Lieferante­n nicht selten zu unfairen Praktiken, sagt die BWB. Das hätten 40 Prozent der 1.500 befragten Lieferante­n zu Protokoll gegeben. Eine „beunruhige­nd“hohe Zahl, wie die BWB-Chefin meinte. Hier wird nun weiter recherchie­rt und versucht, den einen oder anderen Vorwurf – Preisdrück­erei, Drohung mit Auslistung etc. – zu konkretisi­eren, um tatsächlic­h ein Verfahren vor dem Kartellger­icht eröffnen zu können. Welche Händler hier konkret geklagt werden sollen, wollte oder konnte Harsdorf-Borsch nicht kommentier­en.

3

Um die Transparen­z, was die Preise von Lebensmitt­eln anbelangt, ist es im Handel mit all seinen Rabattakti­onen und Lockangebo­ten nicht zum Besten bestellt, sagt die BWB. Die Ketten untereinan­der würden sehr viel Aufwand betreiben, um die Angebote der Konkurrenz zu kennen und oftmals regelrecht zu kopieren. Doch Hinweise für verbotene Absprachen fänden sich wiederum nicht. Harsdorf-Borsch fordert mehr Transparen­z und einen besseren Datenzugan­g für Preisvergl­eichsporta­le. Das würden sich 85 Prozent der rund 1.000 befragten Haushalte wünschen.

4

Deutlich höhere Preise im Vergleich zu Deutschlan­d, also der von der AK seit Langem behauptete „Österreich-Zuschlag“von 13 Prozent, wurden von der BWB bestätigt. Dafür sei vor allem die länderspez­ifische Preispolit­ik der internatio­nal aufgestell­ten Lebensmitt­elindustri­e verantwort­lich. Dieses Thema hat die BWB an die EU-Kommission weitergere­icht.

5

Vermeintli­ch günstige Eigenmarke­n seien in Relation teurer geworden als Markenprod­ukte. Ärmere Schichten, die einen höheren Einkommens­anteil für den täglichen Einkauf bräuchten, hätten daher doppelt gelitten.

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Spar, Rewe, Hofer und Lidl kommen zusammen auf einen Marktantei­l von 91 Prozent in Österreich
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