Kurier (Samstag)

Ein Leben voll harter Arbeit

Die Eltern von Bestseller­autor David Safier arbeiteten hart und unermüdlic­h. Warum sich das leider nie für sie lohnte und welche Schlüsse der Schriftste­ller daraus zog

- VON JENNIFER CORAZZA

Ihre Startvorau­ssetzunge waren schlecht. Joschi wa ein Wiener Jude, der sich als junger Mann bei Kriegseinr­echtzeiDie bruch gerade noch tig nach Palästina rettete. 21 Jahre jüngere Waltraut war ein deutsches WerftBilNa­host-Konflikt arbeiterki­nd, das wenig dung erfuhr und im ausgebombt­en Bremen aufwuchs. Eine steile berufliche Karriere anzustrebe­n, war ihnen nicht erlaubt. Joschi brach sein Bauingenie­ur-Studium an der Wiener TU in dem Moment ab, als ein jüdischer Kollege aus dem Fenster geworfen wurde und vor ihm aufprallte. In Palästina hielt er sich als Barkeeper, in der israelisch­en Armee und als Seemann über Wasser. Waltraut träumte indessen von einer Lehre bei Karstadt, um dort einmal Parfum und Kosmetik zu verkaufen. Doch wirklich groß wurden die Träume erst, als die beiden in den 1960er-Jahren aufeinande­rtrafen. Und sie versuchten, sich und ihrer Familie in Deutschlan­d ein gutes Leben aufzubauen.

Unfreiwill­ig selbststän­dig

„Man wurde gedrängt in ein Leben, wo man sich nur als Selbststän­diger hat durchschla­gen können“, erinnert sich ihr Sohn, Bestseller­autor David Safier, während er durch seine Heimatstad­t Bremen spaziert und mit dem KURIER telefonier­t. Er selbst schaffte vor über 15 Jahren mit „Mieses Karma“den Durchbruch. Doch sein persönlich­stes Werk veröffentl­ichte der Schriftste­ller erst heuer. „Solange wir leben“erzählt die Lebensgesc­hichte seiner Eltern, die vor allem durch eines geprägt war: von harter Arbeit, die sie leisten mussten, weil es schlichtwe­g keine Alternativ­e gab. Und von dem Mut, sich selbststän­dig zu machen, weil der Arbeitsmar­kt keinen Platz für sie zu haben schien.

Als Vater Joschi der Liebe wegen in das Land seiner Feinde zog, probierte er zuerst den sicheren Weg. Suchte nach Anstellung­en und wurde in einem Varieté und dann in einem Restaurant fündig. Doch er blieb nur kurz, nachdem klar wurde, dass es der gewiefte Umgang mit Geld war, den man sich von ihm versprach. „Joschi traf es wie ein Schlag“, schreibt Safier in seinem Buch. Zu wissen, dass der Krieg vorbei, aber das Gedankengu­t vieler Menschen noch immer dasselbe war. Also kündigte er. Und eröffnete mit Waltraut die erste Kneipe.

Der „Kamin“lief gut, bis er das nicht mehr tat. Bis die Arbeit über den Kopf wuchs, die zwei Kinder parallel betreut werden mussten und man sich von einem neuen Restaurant für die feine Gesellscha­ft Verbesseru­ng erhoffte. Doch diese Unternehmu­ng und alle weiteren – ein Nachtclub und ein Geschäftsl­okal für Dessous und Diamanten – scheiterte­n. Nicht immer war es ihr eigenes Verschulde­n. Wenn auch manche Idee sich im Nachhinein als nicht besonders klug herausstel­lte, gesteht Safier. „Mein Vater war kein sensatione­ller Geschäftsm­ann. Lausig wäre abwertend und wird ihm nicht gerecht, aber Talent hatte er auch nicht.“

Besonders hart traf das Paar die erste Pleite, ausgelöst von der Ölpreiskri­se im Jahr 1973, die wiederum vom angestoßen wurde.

Wie auch heute schoss die Inflation in die Höhe, die Schulden ebenso. „Damals bedeutete eine Insolvenz, 30 Jahre lang Schulden abzubeahle­n, da gab es keinen Neutart.“Doch Waltraut regelte en Schuldenbe­rg, holte fianzielle Unterstütz­ung vom chwager ein und stürzte sich it Joschi in das nächste Proekt. „Sie haben unter den vorherrsch­enden Umständen ihr Bestes gegeben. Zusammen sind sie Risiken eingegange­n.“Auch wenn sich diese kaum bezahlt machten.

Der größte Erfolg

Wenn der Vater abends in der Wohnung verzweifel­t auf und ab ging, spürte der junge Safier, dass das nächste Geschäft am Platzen war. „Ich hatte zwei Eltern, die ich oft erschöpft erlebt habe.“Selbst als Joschi schon fast 70 war, wagte er sich an die nächste Idee, um die Familie zu versorgen. Die physische Kraft aber musste Waltraut aufbringen, die durch die langjährig­e Pflege der eigenen Mutter und der später schwer erkrankten Tochter kaum noch Energie übrig hatte.

Dass am Ende des Erwerbsleb­ens für die Mutter nicht einmal eine Pension übrig blieb, von der sie hätte leben können, stimmt David Safier nicht wütend. „Ich weiß ja, wie es dazu kam.“Um selbst nie an diesen Punkt zu gelangen, traf Safier zwei Entscheidu­ngen: „Ich habe mir immer Geld auf die Kante gelegt, damit ich das machen kann, worauf ich Lust habe“, sagt er. Und: „Die einzige Investitio­n, die ich tätige, ist meine Arbeitszei­t. Denn das Genick brechen einem die Schulden.“

Dass Safier heute die Möglichkei­t hat, beruflich frei zu entscheide­n, hat er letztlich der harten Arbeit seiner Eltern zu verdanken, weiß er. „Ich bin mit Liebe aufgewachs­en. Meine Eltern haben dafür gesorgt, dass ich bessere Startvorau­ssetzungen hatte als sie selbst.“

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 ?? ?? Waltraut und Joschi Safier gingen gemeinsam Risiken ein
Waltraut und Joschi Safier gingen gemeinsam Risiken ein
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David Safier: „Solange wir leben“Kindler Verlag 464 Seiten. 25,50 Euro

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