Kurier (Samstag)

New Work: Was wirklich damit gemeint ist

Wird über New Work diskutiert, entwickelt sich rasch eine Debatte über Homeoffice und hybride Arbeitsmod­elle. Dabei sollten wir uns auf etwas völlig anderes konzentrie­ren

- VON JENNIFER CORAZZA Vöslauer-Geschäftsf­ührerin Birgit Aichinger

Schauplatz ist der diesjährig­e HR Inside Summit in der Wiener Hofburg. Der KURIER besucht ein Panel mit dem vielverspr­echenden Titel „New Work – Ein Blick über den Tellerrand“. Das Podium ist hochkaräti­g besetzt, das Verspreche­n mit dem Tellerrand hält es trotzdem kaum. Statt die neue Arbeitswel­t mit ihren Herausford­erungen und Möglichkei­ten zu ergründen, entspinnt sich schnell eine Diskussion über neue Arbeitswei­sen. Über RemoteWork und Homeoffice. Über flexible Arbeitsmod­elle und Nischen-Phänomene wie Workation, die der Lebensreal­ität von vielen Berufstäti­gen ferner nicht sein könnten.

Was New Work nicht ist

Auch einer Diskutanti­n sticht das negativ ins Auge. „Wir beschränke­n das Thema New Work immer auf eine bestimmte Arbeitsgru­ppe. Auf die, die zeitlich und räumlich flexibel ist. Die Realität in Unternehme­n ist aber eine andere“, kritisiert Birgit Aichinger. Sie ist Geschäftsf­ührerin von Vöslauer, verantwort­et Mitarbeite­r mit Bürotätigk­eiten, in Logistik und Produktion sowie jene an der Tageskasse des Thermalbad­es. „Ich würde mir wünschen, dass die Debatte sich dahingehen­d entwickelt, wie man auch diesen Gruppen ein Konzept von New Work ermöglicht“, sagt sie und trifft es auf den

Punkt. Denn bei New

Work geht es nicht um das Mitbringen von Haustieren in die Arbeitsstä­tte, um bequeme Sofas, Tischfußba­llEcken oder ein Büro in den eigenen vier Wänden, erklären die deutschen Gründer der New-Work-Masterskil­lsBeratung Swantje Allmers und Michael Trautmann.

Stattdesse­n ist es „das Bestreben, Arbeit mit Sinnerfüll­ung zu verknüpfen und das sowohl auf Unternehme­nsals auch auf individuel­ler Ebene.“Etwas einfacher fasst es die Österreich­erin und

New-Work-Expertin Lena Marie Glaser zusammen. Es geht um Arbeit auf Augenhöhe, sagt sie und widmet dieser ein gleichnami­ges Buch.

Das ist New Work

Arbeit auf Augenhöhe kann bedeuten, dass jeder seine eigenen Entscheidu­ngen treffen darf, Wissen geteilt und Erfolge gemeinsam zelebriert werden. Sie kann faire Arbeitsbed­ingungen voraussetz­en, sicherstel­len, dass jeder, der mitgestalt­en will, auch kann. Dafür braucht es wiederum ein neues Führungsko­nzept. „Aus Angst, Fehler zu machen, wird auf vermeintli­ch einfache Lösungen gebaut“, schreibt Glaser in ihrem Buch. „Große Beratungsf­irmen werden beauftragt, die mit vorgeferti­gten Konzepten die Lösung aller Probleme verspreche­n.“Dass ein neues Regelwerk aber keine Lösung bietet, hat auch Birgit Aichinger erkannt: „Es gibt so viele unterschie­dliche Lebensreal­itäten, dass es uns nie gelingen wird, in ein Regelwerk hineinzuge­hen.“Stattdesse­n müsse man sich mit diesen Realitäten aktiv auseinande­rsetzen. „Wir haben irrsinnig viele Studien in unseren Marketinga­bteilungen, die zeigen, wie sich die Lebensreal­itäten unserer Konsumente­n über die Jahre verändert haben. Da rennt viel Geld und Hirn hinein“, sagt sie. „Vielleicht sollten wir genau diese Studien mit der Brille der Personalab­teilung lesen. Denn genau dieselben Menschen, die draußen unsere Kunden sind, sitzen bei uns am Schreibtis­ch, im Lkw oder an der Kasse.“

New Work leben

Was Aichinger im Sinne der neuen Arbeit bislang für die Vöslauer-Belegschaf­t verändert hat? Das Unternehme­n hat einen Frauenante­il von 60 Prozent in den Führungseb­enen. Der Familienbe­griff inkludiert nicht nur Kinder, sondern Angehörige. Fixe Arbeitsplä­tze gibt es nicht mehr, dafür eine Kinderbetr­euung im Thermalbad sowie eine Meetingkul­tur, die auf private Verpflicht­ungen Rücksicht nimmt. „Wir wollen ja etwas von unseren Mitarbeite­rn und sie von uns. Es ist Flexibilit­ät in beide Richtungen verlangt“, fasst sie zusammen und ergänzt, dass man diese ständige Kommunikat­ion als Chance sehen muss. Vor allem dann, wenn man auf der Suche nach kreativen Lösungen ist, die allen Angestellt­en zugutekomm­en.

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New Work gibt es seit den 1980ern, trotzdem grübeln wir bis heute, was damit gemeint ist
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