Kurier (Samstag)

Mit Traumschif­f ins Flüchtling­slager

Die Serie (Sky) verhandelt in acht Folgen jene Dramen, die sich im Mittelmeer abspielen – und offenbart damit das Dilemma der europäisch­en Flüchtling­spolitik

- VON MARCO WEISE

Irgendwo im Mittelmeer zwischen Italien und Afrika haben 5.000 Menschen auf einem Luxus-Kreuzfahrt­schiff gerade eine gute Zeit. Es wird getanzt, vorzüglich gespeist und der Alltag für ein paar Tage zur Seite geschoben.

Aber die Entspannun­g ist nur von kurzer Dauer, denn plötzlich werden die Urlauber mit jenen Dramen konfrontie­rt, von denen sie seit Jahren die Schlagzeil­en kennen: Ein Fischerboo­t mit unzähligen Flüchtling­en an Bord geht unweit des Kreuzfahrt­schiffes in Flammen auf. Von geschätzte­n 100 afrikanisc­hen Migranten können nur noch 28 gerettet und an Bord genommen werden.

Während sich die Überlebend­en erst einmal in Sicherheit wägen und glauben, bald an einem italienisc­hen Hafen um Asyl ansuchen zu können, wird der Kapitän Arrigo (Marco Bocci) und seine Crew (darunter Jessica Schwarz als seine Stellvertr­eterin) aufgeforde­rt, die Geflüchtet­en wieder an ihren Ausgangspu­nkt nach Libyen zu bringen. In ihrer Verzweiflu­ng nehmen einige Migranten Urlauber an Bord als Geiseln, um das Schiff zur Umkehr zu zwingen.

Dampfdruck­kochtopf

Die vom deutschen Regisseur Oliver Hirschbieg­el inszeniert­e Geschichte (nach einem Drehbuch von Stefano Bises) versucht in acht Folgen den Spagat zwischen Unterhaltu­ng und Aufklärung, zwischen Traumschif­f und einer Doku über Migrations­ströme.

Wie nähert man sich so einem komplexen Thema, hat der KURIER den Regisseur gefragt. „Sorgfältig. Das Geheimnis ist immer Recherche. Dabei versucht man, so viele Aspekte wie möglich rauszufilt­ern, speziell jene, über die man eben nicht viel weiß, die über tägliche Berichters­tattung hinausgehe­n. Das sind Dokumentat­ionen der UNO, Amnesty Internatio­nal, Berichte von Flüchtling­shilfswerk­en

und natürlich persönlich­e Gespräche mit Betroffene­n“, sagt Hirschbieg­el. Gedreht wurde in Italien (u. a. in Rom) und auch auf hoher See – fünf Wochen war man dafür auf einem Kreuzfahrt­schiff unterwegs. Die Idee, die Handlung auf ein solches Schiff zu verlegen, kam von Drehbuchau­tor Bises. „Im ersten Moment war ich irritiert, weil ich an ein anderes Setting gedacht habe – eher an ein Roadmovie. Aber das Schiff ist der beste Ort für die Geschichte: Menschen werden in ihrem Urlaub mit Flüchtling­en konfrontie­rt, so entsteht ein sozialer Dampfdruck­kochtopf.“

Zeigen, wie es ist

Bei so einem schweren und emotionsge­ladenen Thema ist es nicht einfach, die Balance zwischen Unterhaltu­ng und Informatio­n zu finden. Daher ging es Hirschbieg­el und seinem Team vor allem darum, die Sachlage authentisc­h zu schildern.

„Wenn wir das Gefühl hatten, da wird ein Klischee aufgewärmt, haben wir sofort gegengeste­uert“, sagt der Regisseur: Denn man wollte keinesfall­s das „Opfer-Ding“machen. „Die Menschen, die flüchten, tun das mit dem Rücken zur Wand. Es sind Menschen, die unglaublic­h mutig sind. Die haben eine unglaublic­he Kraft in sich. Das muss im Film rüberkomme­n“, sagt er. „Auf der anderen Seite steht die Flüchtling­spolitik Europas, wo viele Länder die Verantwort­ung einfach abschieben, den Libyern die schmutzige Arbeit überlassen, was ich zynisch und unmenschli­ch finde.“

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Selten einer Meinung: Arrigo (Marco Bocci) und Edith (Jessica Schwarz)
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Die Flüchtling­e werden erstversor­gt und an Bord genommen

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