Kurier (Samstag)

GUT GENÄHRT INS BETT

Gut essen und guter Sex gelten als zeitlos schöne Liaison. Dass Menschen mit leerem Magen zarte Liebkosung­en weniger intensiv fühlen, ist allerdings neu. Und trotzdem eignet sich nicht jedes Gericht als Amuse-Gueule für ein entspannte­s sexuelles Abenteuer

- gabriele.kuhn@kurier.at

Um möglichst unmoralisc­h zu sein, gibt es kein besseres Mittel, als zwei so ultimative Genüsse wie gut Essen und gut Lieben miteinande­r zu verbinden“, schreibt Manuel Vázquez Montalbán in seinem Buch „Unmoralisc­he Rezepte“– übrigens ein empfehlens­werter Klassiker in Sachen „erotische Küchengehe­imnisse“. Gemeinsame­r Genuss, gemeinsame­s Essen wirken aphrodisie­rend, ist er überzeugt – und damit meint er vermutlich nicht die letscherte­n Frankfurte­r vom Imbiss am Bahnhof oder das gierig verschlung­ene Käseleberk­ässemmerl, sondern opulent-raffiniert­e Gerichte wie Trüffelpür­ee an Steinbutt nach Teufelinne­nart. Doch auch das Rezept „Erst ausgehen, später näher aufeinande­r eingehen“ist von zeitloser Schönheit. Selbst in Zeiten von Online-Unverbindl­ichkeit und Wisch-Weg-Apps klingt der Satz „Ich habe einen Tisch für zwei reserviert“haltlos animierend. Ein Dinnerdate mit etwaiger Aussicht auf anschließe­nden Geschlecht­sverkehr ist und bleibt appetitlic­h und prickelnd – nach dem Motto „vom Soufflé ins Séparée“. Wie wichtig es ist, sich gut genährt ans Schnacksel­n zu wagen, zeigen nun Forschungs­ergebnisse von der Universitä­t Oslo. Die Erkenntnis­se, schlicht zusammenge­fasst: „Sanfte Liebkosung­en“ob vor, beim oder nach dem Sex (aber auch ganz ohne Sex) werden als weniger angenehm empfunden, wenn der Magen knurrt. Dafür ließen die Forscher ihre Probanden fasten, schließlic­h wurden sie am Schienbein gebürstet (= sanfte Berührung), während man ihre Gehirne im Scanner beobachtet­e. An den Essenstage­n empfanden die Versuchspe­rsonen die Berührunge­n als angenehmer, während sie an den Fastentage­n weniger empfänglic­h dafür waren. Das alles hat mit dem Hungerhorm­on „Ghrelin“zu tun, wissenscha­ftliche Ausführung­en dazu erspare ich Ihnen allerdings, fix ist: Mit leerem Bauch ist der Mensch offensicht­lich weniger empfänglic­h für Zärtlichke­iten. Bleibt nur mehr die praktische Frage: Was essen, um den Akt maximal genießen zu können, zumal das falsche Gericht zur falschen Zeit ein veritabler Lustkiller sein kann. Wenn’s im Bauch rumort, fällt es schwer, sich beim Sex fallenzula­ssen und zu entspannen. Der Genuss von Hülsenfrüc­hten wie Erbsen oder Linsen kann als prekär eingestuft werden. Obwohl ausgerechn­et oben erwähnter Autor explizit „Bohnen mit Bohnenkrau­t“empfiehlt: ein Gericht, „das gleich zweimal den Frühling in sich trägt, in Gestalt der Bohnen und des Bohnenkrau­ts, was das Blut doppelt in Wallung bringe, bis ins letzte Glied“. Vermutlich eine Frage der Verträglic­hkeit – ich sage nur: Darm mit Charme. Apropos: Selbst beim Salat ist Vorsicht angesagt – Rohkost verträgt nicht jede/r. Und so gesund Brokkoli, Karfiol oder Sprossen sein mögen – sie erzeugen sehr viele Gase. Umso bedeutende­r ist langsames und bewusstes Kauen – wer schlingt, schluckt Luft und dann: eh schon wissen. Da kann man gleich einen großen Teller Bohnengula­sch mit frischem Brot in sich hineinstop­fen und eine Pizza nachschieb­en. Geschmackl­ich allzu offensive Gerichte mit viel Knoblauch oder Zwiebel sind ebenfalls heikel und eignen sich eher für Menschen im rundum entspannte­n Singlestat­us. Man will schließlic­h hemmungslo­s küssen dürfen, ohne darüber sinnieren zu müssen, ob man für den Partner eine olfaktoris­che Zumutung ist. Außerdem gilt es auf die Kalorien- beziehungs­weise den Fettgehalt zu achten – ausgeprägt Gehaltvoll­es wie etwa Gänse- oder Schweinsbr­aten und Frittierte­s machen nämlich so satt, dass auch der Liebeshung­er dramatisch schwindet. Zum Dessert gibt’s dann Schnaps statt Schnacksel­n.

„Man will schließlic­h hemmungslo­s küssen dürfen, ohne darüber sinnieren zu müssen, ob man für den Partner eine olfaktoris­che Zumutung ist.“

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