Kurier (Samstag)

„SPÖ hat kein Führerprin­zip“

Christoph Matznetter. Der SPÖ-Wirtschaft­ssprecher verteidigt den Plan, Maßnahmen gegen die Teuerung in der Verfassung zu verankern, und hofft auf ein Abflauen der internen Querelen

- VON JOSEF GEBHARD

Im Kampf gegen die Teuerung will die SPÖ „leistbares Leben“in der Verfassung verankern. Die Idee ist sogar intern umstritten. Wirtschaft­ssprecher Christoph Matznetter kontert den Kritikern.

KURIER: Als die ÖVP das Bargeld in der Verfassung verankern wollte, hat die SPÖ dies als „plumpen Populismus“kritisiert. Warum soll das beim Staatsziel „leistbares Leben“anders sein? Christoph Matznetter: Wir haben das damals kritisiert, weil wir das Bargeld lieber in den Brieftasch­en der Menschen als in der Verfassung haben wollten.

Aber warum ist Ihr Vorschlag kein Populismus?

Es geht darum, wie das Wirtschaft­ssystem gestaltet ist, um einen Auftrag, den dann jede Regierung einzuhalte­n hat. Wir haben jetzt schon eine Reihe solcher Aufträge im Verfassung­srang, etwa den Tierschutz und die Emissionen, oder etwa die Maastricht-Kriterien, die im EU-Primärrech­t verankert sind. Wenn wir leistbares Leben als Staatsziel definieren, bewegen wir uns auf einer gesicherte­n Basis. Es ist bereits in vielen Verfassung­en verankert, zum Beispiel in der Schweiz.

Eine Verankerun­g solcher Dinge in der Verfassung garantiert aber noch nicht, dass sie auch tatsächlic­h umgesetzt werden.

Werden Dinge als Staatsziel definiert, muss sich eine Regierung rechtferti­gen, wenn sie nicht oder unzureiche­nd handelt. Es wird der gesellscha­ftliche Diskurs verstärkt. Gerade beim Tierschutz haben wir in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n enorme Fortschrit­te gemacht. Ich denke, dass nicht nur die Tiere zu schützen sind, sondern auch die Menschen.

Sie nennen die Schweiz als Beispiel. Wie haben sich die dortigen Regelungen in der Praxis ausgewirkt?

In Artikel 41 der Bundesverf­assung setzen sich Bund und Kantone unter anderem dafür ein, dass jede Person an der sozialen Sicherheit teilhat oder eine Wohnung zu tragbaren Bedingunge­n finden kann. In der Praxis führt das dazu, dass Mieten um maximal 40 Prozent des Verbrauche­rpreisinde­x angehoben werden können. In der Energiewir­tschaft haben sich die Preise an den Herstellun­gskosten zu orientiere­n und nicht am möglichen Gewinn. Mit dem Effekt, dass die Schweizer Inflation der vergangene­n eineinhalb Jahre nur einen Bruchteil von unserer ausmachte.

Sogar Ihr Parteikoll­ege, der Linzer Bürgermeis­ter Klaus Luger, spricht von einem Missbrauch der Verfassung.

Ich schätze Luger als Bürgermeis­ter. Als Wirtschaft­swissensch­after oder Verfassung­sexperte ist er aber noch nicht in Erscheinun­g getreten. Mit dem Vorschlag stehen wir auf der Seite der wichtigste­n wirtschaft­swissensch­aftlichen Denker. Die Marktwirts­chaft braucht eine Regulierun­g. Ziel darf nicht die Wirtschaft an sich sein, sondern muss Partizipat­ion am allgemeine­n Wohlstand sein.

Laut Leitantrag soll der Staat garantiere­n, dass Preise für Lebensmitt­el, Wohnen und Energie pro Jahr maximal zwei Prozent ansteigen dürfen. Reiche würden davon auch profitiere­n. Wo bleibt die soziale Treffsiche­rheit?

Je höher die Inflation ist, desto mehr steigt der Druck auf die ärmeren Menschen, weil die fast ihr gesamtes Einkommen für Essen, Miete und Energie ausgeben. Die Zinshausbe­sitzer werden sich in Zukunft mit zwei Prozent Mietsteige­rungen zufrieden geben müssen. Die Energiekon­zerne werden nicht in Milliarden Übergewinn­e schwimmen.

Die Debatte zeigt erneut, dass die SPÖ-Spitze keinen Vorschlag machen kann, ohne intern auf Widerstand zu stoßen. Was sagt das über den Zustand der Partei aus?

Ein Führerprin­zip wird die SPÖ nicht haben. Natürlich würde nach den unsägliche­n internen Debatten eine Beruhigung guttun. Eine Grabesruhe im Sinne, dass keiner seine Meinung sagen darf, wird es aber nicht geben.

Mit der Folge, dass keiner weiß, wofür die SPÖ steht.

Da wäre der demokratis­che Zentralism­us vernünftig­er. Also dass sich alle an eine Entscheidu­ng halten, wenn sie gefallen ist.

 ?? ?? Matznetter: „Klaus Luger ist noch nicht als Wirtschaft­swissensch­after in Erscheinun­g getreten“
Matznetter: „Klaus Luger ist noch nicht als Wirtschaft­swissensch­after in Erscheinun­g getreten“

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